ZWISCHEN DEN RILLEN
Lakonie und Trennungsschmerz

Wer „Minor Love“ hört, weiß: Mit Adam Green ist wieder zu rechnen

Eigentlich hatte man Adam Green schon abgeschrieben. Er hatte hintereinander drei sehr schwache Alben und einen total überflüssigen Suhrkamp-Lyrikband veröffentlicht, bei Konzerten wiederholt den betrunkenen Deppen gegeben und auch sonst mit seiner selbstverliebten Medienüberpräsenz genervt.

Bei Anti-Folk-Puristen und Moldy-Peaches-Fans war er ohnehin schon seit Beginn seiner Solokarriere unten durch. Und selbst wer sich zu den seligen Zeiten des Musikfernsehens bei Viva Zwei in den tischtennisspielenden, „Jessica Simpson“-singenden Adam Green und seine genial einfachen Songs verliebt hatte, kam ins Zweifeln.

Das bestürzend uninspirierte Album „Sixes and Sevens“ von 2008 hatte zwar den unbedingten Willen zur stilistischen Vielseitigkeit, wollte mit Motown-Chören, Gospelsound und Soulflair auftrumpfen – aber was nützt die ganze schöne Verpackung, was nützen die glitzernden Arrangements, wenn sich kein einziges gutes Stück auf der Album findet? Und so hatten schließlich selbst die treuesten Fans genug von den langweiligen Verrücktheiten des Adam Green.

Das Traurige war, dass sich da eine echte Songwriterbegabung selbst verheizte. War es die mangelnde Selbstkritik, war es der schnelle Erfolg, der aus dem interessanten New Yorker Slacker einen Blödelbarden machte?

So wünschte man ihm regelrecht eine Krise an den Hals, denn so ekelerregend das rockistische Authentizitätsgetue auch ist, dem Songschreiben sind Erschütterungen, Erniedrigungen, Trauer und Verlust nun mal zuträglicher als ein erfolgreiches, schönes Leben in Leichtigkeit und Freude. Zum Glück hat der 29-Jährige aber geheiratet, sich schnell wieder scheiden lassen, kann somit auf unglückliche Liebe, Alkoholexzesse und eine Psychotherapie zurückblicken.

Das alles hat er schön in Liedform verarbeitet und mit „Minor Love“ ein leicht gereiftes Werk, sein Trennungsalbum vorgelegt. Schon beim ersten Hören wirkt Greens sechstes Studioalbum nachdenklicher und weniger beliebig als die letzten Werke. Diesmal hat der New Yorker auf Streicher und Gospelsänger verzichtet und im Haus des Musikers und Produzenten Devendra Banhart 14 spartanische Songs aufgenommen. Dabei hat Green fast alle Instrumente selbst eingespielt. Er präsentiert sich nun als traditioneller Singer-Songwriter, der seine immer noch außergewöhnlich tiefe und schöne Stimme gewinnbringend einsetzt. Die schlichte akustische Gitarre kommt wieder zu Ehren, der bewährte 4/4-Takt schafft schunkelnde Songs wie „Breaking Locks“ und „Give Them A Token“. Ab und an kommen unaufdringliche Arrangements aus Orgel, Glockenspiel, Oboe oder nackte Synthiebeats dazu.

Die Erinnerungen an LoFi-Zeiten, Ausflüge in Funkrock und Worldbeat sind dabei nicht ganz so aufregend, aber es tauchen auch immer wieder kleine Perlen auf, etwa, wenn in „Castles and Tassels“ ein heiter-gelassener Männerchor das grausame Mantra: „You got to have money“ swingt. In „What makes him feel so bad“ glaubt man sogar den jungen Lou Reed samt seiner astreiner Velvet-Underground-Verschleppungen herauszuhören.

Am schönsten ist es, wenn wie in dem Auftaktsong „Breaking Locks“ oder in „You blacken my stay“ sich hinter dem lakonischen Gesang Trennungsschmerz und Selbstzweifel verbergen. Wenn sich wie bei „Cigarette Burns Forever“ eine Patina aus lebensmüder Gelassenheit über die Songs legt. Auch wenn man manche Akkordwechsel und Melodiebögen zur Genüge aus seinen früheren Songs kennt, Adam Green ist eindeutig auf dem Weg der Besserung.

Und hat nicht jeder Songwriter, haben nicht sogar Bob Dylan und Leonard Cohen nur ein, zwei Lieder, die sie über die Jahrzehnte in immer wieder in neuen Variationen schreiben und singen? Eine neue Liebe ist ja angeblich wie ein neues Leben und ein gebrochenes Herz führt nicht automatisch zu großen Songs. Aber Adam Green hat mit dieser Platte immerhin gezeigt, dass man ihn noch nicht ganz aufgeben darf. CHRISTIANE RÖSINGER

■ Adam Green, „Minor Love“ (Rough Trade/Beggars/ Indigo)