Sie wollen nur reden

MEDIATION Die Landespolizeien bauen neuerdings Kommunikations-Teams auf, die auf Demonstrationen durch Gespräche deeskalieren sollen. Über deren Effektivität gibt es geteilte Auffassungen

VON KAI VON APPEN

Für die Hamburger Rechtsanwältin und langjährige Mediatorin Ulrike Donat ist klar: Viele Konflikte gerade im familiären und häuslichen Bereich können mit Vermittlung leichter bewältigt werden als allein durch einen Prozess vor Gericht. Zunehmend gehen auch Länderpolizeien dazu über, Auseinandersetzungen bei Demonstrationen durch Konfliktmanager ohne staatliche Gewalt beilegen zu wollen. Diese Konfliktmanager gehören so genannten Anti-Konflikt- oder Kommunikations-Teams an. Dass ihr Einsatz effektiv ist, glaubt allerdings nicht jeder. „Sie sind gutwillig, aber sie können nichts bewirken, weil sie nicht ernst genommen werden“, sagt Donat, die oft im Gorleben bei Castortransporten vor Ort war.

Die ersten Anti-Konflikt-Teams entstanden in Berlin angesichts der traditionellen 1.-Mai-Krawalle. Dort wurden freiwillige Beamte eingesetzt, um ein gewisses Klientel durch Kommunikation von Gewalt abzubringen. In Niedersachsen zeigte sich die Wirksamkeit dieser Strategie spätestens bei einer Gleisblockade beim Castortransport im Jahr 2011. Der Konfliktmanager Karsten Schröder versicherte den Demonstranten vor der Räumung, nicht festgenommen zu werden – dafür erntete er heftige Kritik von seinen Kollegen in Uniform.

Die schwarz-grüne Regierung in Hamburg griff die Idee 2009 auf. „Es war schwer, das gegen den Polizei-Apparat durchzusetzen“, sagt die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Antje Möller. Es sei schwer zu vermitteln gewesen, Beamte zur Kommunikation abzustellen, um mit den potenziellen Störern – wie sie im polizeilichen Fachjargon heißen – zu reden. „Aber diese Veränderung hat die Polizei dazu gebracht, eine solche Strategie ernst zu nehmen“, sagt Möller im Nachhinein. Dass diese Teams der Gesamteinsatzleitung untergeordnet sind, müsse man allerdings „weiter kritisch sehen“. Aber dennoch: Im Großen und Ganzen habe sich die Idee, durch Ansprachen deeskalierend zu wirken, „als richtig erwiesen“. Inzwischen hat Hamburg 30 geschulte Polizisten als freiwillige Kommunikations-Beamte im Einsatz.

Das sieht man heute auch intern als Erfolg. „Wir haben gute Erfahrungen gemacht“, sagt Hamburgs Polizeisprecherin Ulrike Sweden. Gerade für Unbeteiligte am Rande von Demonstrationen seien sie ein guter Ansprechpartner, um ein Gespräch zu beginnen: „Wer spricht schon gern einen Beamte in Vollschutz an, der ohnehin nichts sagen dürfte.“ Sweden räumt allerdings ein, dass die Mittel der Teams im Gesamteinsatzgeschehen „begrenzt“ seien.

So empfindet es auch Andreas Blechschmidt, der in den letzten Jahren viele linke Demonstrationen in Hamburg geleitet hat. „Ich habe bei keiner Versammlungsleitung bisher jemals auch nur ein Wort mit denen gewechselt“, sagt er. Immer wenn es tatsächlich brenzlig werde, weil vielleicht ein Böller gezündet worden sei, seien die Frauen und Männer in den blauen Westen von der Bildfläche verschwunden.

„Bei der Anti-Nazi-Demo in Glinde vorletzte Woche hat das Kommunikations-Team aus Schleswig-Holstein im Gegensatz zu den Hamburger Beamten fast ausschließlich die Gespräche mit der Demoleitung geführt“, berichtet Blechschmidt: „Bei schwierigen Lagen ist mir eine robuste Kommunikation mit dem Einsatzleiter lieber als Geplüsche mit einem Kommunikations-Team, wenn es am Ende doch nur etwas auf die Mütze gibt.“

Für Mediatorin Ulrike Donat gibt es nur eine Möglichkeit für ein effektives Handeln von Anti-Konflikt-Teams: Sie müssten fest auf oberster Ebene mit Kompetenzen in die Hierarchie der Einsatzleitung integriert sein. „Mediation bedeutet Akzeptanz von beiden Seiten.“