Kampf vor den Augen der Kinder

Festnahme einer Togolesin eskaliert durch brutales Vorgehen von vier Beamtinnen. Töchter müssen Auseinandersetzung mit ansehen. Polizei weist Vorwürfe zurück und ermittelt wegen Widerstands

„Obwohl die Mutter keine Gegenwehr leistete, wurde sie zu Boden geworfen“ „Nach der gewalttätigen Szene waren die Kinder völlig verstört“

Von Kai von Appen

Wenn sich Mona Hope an den Samstag vor vier Wochen erinnert, bekommt die Hamburger Journalistin es mit der Angst. Und auch ihre Sprösslinge Louis (4) und Leo (2) hätten die Ereignisse der „brutalen Verhaftung“ ihrer Nachbarin Kate Johnsen* noch nicht verarbeitet. Hope sagt: „Die Kinder haben noch immer Albträume.“

Vier Beamtinnen des Kommissariats 22 in der Grundstraße in Eimsbüttel hatten an jenem Vormittag bei den Johnsens geklingelt, um gegen die Mutter Kate einen Haftbefehl zur Verbüßung einer viermonatigen Haftstrafe wegen Kleptomanie zu vollstrecken. Wie sich erst später herausstellen sollte, hatte die Staatsanwaltschaft es versäumt, ihr eine Aufforderung zum Haftantritt zuzusenden.

Die Polizistinnen trafen nur Ehemann Pit* und die Kinder Lisa* (7) und Lotte* (3) an. Da bisher häufig die Mutter betreffende gerichtliche Schreiben an „Herrn Johnson“ gerichtet worden waren, hielten die Polizistinnen Pit für den Gesuchten. Zwar rief dieser wegen mangelnder Deutschkenntnisse seine Nachbarin Mona Hope zu Hilfe. Sie konnte aber nicht verhindern, dass er mitgenommen wurde. Hope erreichte nur, dass seine Töchter nicht zum Kinder- und Jugendnotdienst gebracht wurden, sondern bis zum Eintreffen der Mutter bei ihr bleiben durften.

Später begründet die Polizei die falsche Festnahme damit, dass gegen Pit Johnson irrtümlich ein Haftbefehl vorgelegen habe. Es sei erst auf dem Revier möglich gewesen, den Computerfehler aufzuklären.

Die Polizei setzte Johnson daraufhin vor die Tür. Zeitgleich machten sich die vier Beamtinnen erneut mit dem Streifenwagen auf den Weg zur Wohnung der Johnsons, um jetzt die Richtige zu verhaften. Diesmal trafen sie Kate Johnson an. Da eines ihrer Kinder noch bei der Nachbarin war, wurde auch Mona Hope aufgesucht. „Kate sagte, die Polizei wolle sie mitnehmen“, erinnert sich Hope. „Ich fragte sie, ob man ihr den Haftbefehl gezeigt habe, was sie verneinte.“ Eine Beamtin habe daraufhin demonstrativ auf ein Dokument in ihrer Hand geklopft und gesagt: „Es reicht jetzt.“

Die Polizistin habe die Mutter abführen wollen, ohne ihr die Möglichkeit zu geben, sich von ihren Kindern zu verabschieden, woraufhin Kate Johnson gerufen habe: „Nein, ich gehe nicht mit, lasst mich los.“ Obwohl die Frau keine Gegenwehr geleistet habe, hätten die Beamtinnen sie in diesem Moment zu Boden geworfen und den Polizeigriff – Knie im Genick und Rücken– angewendet.

„Das alles geschah sehr schnell und ohne Vorwarnung, so dass ich Lisa und Lotte und meine Kinder, Louis und Leo, nicht in die Wohnung und außer Hörweite bringen konnte“, berichtet Hope. Die vier Kinder hätten „laut und voller Panik geschrien“. Lisa habe versucht, ihrer Mutter zu helfen und mit ihren Fäusten und einem Schuh auf die Beamtinnen eingeschlagen. Auch sie selbst, so Hope, sei nun „in Panik“ geraten, habe den Polizistinnen zugerufen, sie sollten aufhören: „Nicht vor den Kindern.“ Aber die Beamtinnen hätten ihren Griff nicht gelöst.

„Ab und zu hat eine von ihnen gebrüllt, ich sollte endlich in meine Wohnung gehen“, so Hope, aber sie habe Lisa nicht von ihrer Mutter wegziehen können. Auch ihre eigenen Kinder hätten den Vorfall mit ansehen müssen und geweint. „Um die beiden konnte ich mich in dem Moment überhaupt nicht kümmern“, so Hope.

Erst als eine Nachbarin zu Hilfe geeilt sei, Lotte an sich genommen und auch eine Beamtin geholfen habe, Lisa in ihre Wohnung zu bringen, sei die Situation kurz zur Ruhe gekommen. „Aber bei der nächsten Gelegenheit riss sich Lisa erneut los und rannte wieder raus.“ Die anderen Polizistinnen hatten Kate unterdessen weggebracht.

Nach dem Vorfall seien alle Kinder „völlig verstört“ gewesen, wie Hope berichtet: „Für sie war die ganze Situation unverständlich. Es sah sehr gewalttätig aus, als die vier Beamtinnen sich auf Kate stürzten. Die Kinder waren fassunglos, dass Polizisten so etwas tun können.“ Hope fragt sich nun, ob sich der Vorfall „nur so entwickelt hat, da Kate Togolesin ist?“

Das bestreitet Polizeisprecherin Christiane Leven. Sie gibt Kate Johnsen, gegen die die Polizei jetzt auch noch wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt ermittelt, die Schuld an der Eskalation. „Wir hatten gar keine andere Chance“, versichert Leven. Dass sich die Frau von ihren Kinder verabschieden wollte, „da hatten wir gar keine Probleme mit“, beteuert die Sprecherin: „Doch plötzlich hat sie Widerstand geleistet und die Kinder standen nun mal daneben.“

Namen geändert