berlinale szene Unterirdischer Wahnsinn

Das Adagio

Die Gegend um den Potsdamer Platz wird immer irrer, je näher man sie kennen lernt. An die Straßenbäume, die zwar noch recht jung sind, aber doch um einiges älter als die Häuser, vor denen sie stehen, hat man sich ja mittlerweile gewöhnt. Es gibt ihn aber immer noch, den richtigen Wahnsinn. Man findet ihn unter der Erde: im Adagio, dem Veranstaltungsort unter dem Berlinale-Zentrum. Dem Ding, wo der rote Teppich hinführt.

Gerade ist man den noch entlanggeschritten, der Glasfassade entgegen, in eine Vorhalle hinein, die den Blick auf fünf Stockwerke Buffet freigibt. Und dann das: Man geht die große Freitreppe in den Keller hinab, passiert Säulen aus scheinbar massiven Steinquadern und steht in einem Saal, der aussieht, als habe er als Kulisse für Tinto Brass’ Spätsiebziger-Sandalenporno „Caligula“ gedient. Da gibt es nicht nur Pappsäulen, die so tun, als ob sie das Gewölbe tragen würden. Büsten von römischen Cäsaren zieren die Bühne, und römische Gottheiten mit großen Geschlechtsteilen stehen in der Ecke. Ein antiker Spiegel soll letztes Jahr zerbrochen sein, als besoffene Filmproduzenten versuchten, ihn auf einen Tisch zu legen, sagt jemand, der solche Geschichten kennt. Wahrscheinlich steht das Adagio den Rest des Jahres leer – wer wäre auch so verrückt, einen Pappmaché-Keller zu mieten? Für die Eröffnungsparty der Berlinale kann man sich allerdings keinen schöneren Ort denken. TOBIAS RAPP