Dieser Beat geht direkt zwischen die Beine

Es gibt sie, die perfekte Clubband. Ein Portrait der großartigen Kreuzberger Sixties-Downbeat-Pop-Chanson-Punkkapelle Petting

Nennt man das heute überhaupt noch Petting? Oder ist der Begriff Petting, für das unschuldige, weil nicht auf‘s gefährliche Ganze gehende Anfummeln, genau wie sein kleiner Kollege Necking schon Retro, quasi Bravo-Sprache vom letzten Jahrhundert? Was sagt nur der moderne Teenie, wenn er heuer seiner Freundin oder seinem Freund das erste Mal unter den Layer-Look und in die Cargohose greift?

Petting steht jedenfalls im Duden. Petting heißt auch eine Band aus Berlin, deren Sound das Fummelidiom so ironisch umspielt, dass man höchstens beim ersten Mal pubertär kichert: Petting sind durchaus ernstzunehmende MusikerInnen, nix mit Teeniebopper oder Rotwerden, stattdessen Erwachsene mit gutem Geschmack. Bei Petting zuhause eingeladen sein, das heißt bei den Petting-GründerInnen Malika und Peter „Muntermacher“-Tee aus der LPG trinken und Nudeln mit selbstgemachter Sauce essen. Die beiden wohnen in Kreuzberg, im saubereren Teil, wie von manchen behauptet wird, an einer Kopfsteinpflasterstraße mit relativ hoher Kinderwagendichte, haben einen kleinen Sohn und sind in Berlins Musik-, Club- und Filmabgründen schon länger unterwegs, als man ahnt.

Malika hat Locken wie eine straßenköterblonde Foxy Brown-Perücke, spricht fließend Französisch und macht Filme, Peter hat tschechische Wurzeln, ist eigentlich Skilehrer und ein echter Mann für alle Fälle. Mit den Hamburger Mobylettes hatten sie zu tun, mit Francoise Cactus, Christiane Rösinger, den Dead Chickens, haben Theater gespielt (Malika), Clubs geführt (Peter), Malika hat dabei permanent ihre Sangeskünste verbessert, Peter am Gitarrensound gefriemelt, bis ihre Band klang wie eine gutgelaunte Sixties-Downbeat-Pop-Chanson-Punkkapelle. Nach einigen Umbesetzungen (Petting gibt es schon ein paar Jahre) spielen jetzt Mitbegründer und Schlagzeuger Tom, Organistin Katy (Ex-Lemon Babies) und Bassist Michell mit, und sollen, wenn es nach Malika und Peter ginge, auch für immer bleiben.

„Ich hätte nichts dagegen, wenn unsere Musik lebensfüllend sein könnte“, sagt die band- und lebenserfahrene Malika sogar, die das Business und die fahlen Chancen für reizende, nichtkommerzielle Bands bestimmt kennt. Aber Petting spielen fast trotzig seit Jahren ihren krachig-charmanten Franko-Beat, durch die persönliche Nähe zu Stereo Total mag man sie mit dem französisch-kasselanischen Elektrobeat-Duo vergleichen, eigentlich sind sie aber etwas anderes: Petting ist eine echte, reine, sozusagen fast analoge Tanzband.

Ihre erste CD „Voile l‘éte“, die es seit gestern zu kaufen gibt, wummert, orgelt und swingt von einem kleinen Sommerlied zum nächsten, Riff, Orgel, Beat, dazu glockenhell französische, selten auch deutsche oder engliche Aphorismen über „L‘espoir á coté de moi“ oder darüber, wie gern man mit den Hüften wackelt: „Je veux danser“ ist ein eingepfiffener Tanzflächenschunkler, it‘s Trash!! sagte man schon in den Sechzigern zu solcherlei Musik, und man meinte es durchaus auch bewundernd.

„Ich mache Musik und Filme, seit ich 15 bin“, behauptet Malika, und sie scheint vorzuhaben, das auch noch ein paar Jahrzehnte weiter so zu treiben, Erfolg hin oder her. „Wir haben schon ehrgeizige Ziele“, das sagt sie ein wenig später, in Richtung Charts schielen würde sich allerdings gar nicht erst lohnen – so schlau ist die Band auch, dass sie weiß, wo der Hammer und die Messlatte hängen: Petting sind schlicht viel zu selbstgemacht und musikalisch unprätentiös, um neben Kunstprodukt-Chansonieusen wie Annett Louisian oder Film-One-Hit-Retro-Wiederentdeckungen wie Dick Dale zu bestehen.

Bei Petting-Konzerten treten Malika und Katy stilecht und schick in Mini-Hemdblusenkleidern und kniehohen Stiefeln auf, Malika gern mit keckem Stewardessenhalstuch, die Jungs kleiden sich in schnieke Anzüge. Im Publikum wippt eine Melange aus jungen und nicht mehr ganz jungen Hipstern und den Beatfans der Stadt, keiner erwartet eine Ballade – Petting haben den Anspruch einer Sechziger-Jahre-Tanzband, die statt DJ den Abend bestreiten und die Gäste auf die Tanzfläche scheuchen kann. „Ich wäre gerne eine Clubband“, sagt Malika denn auch, und fügt, nicht ganz ernst eventuell, dazu, „vielleicht auf einem Vergnügungsdampfer...“. Petting passt und fühlt sich wohl in einer ganz bestimmten Ecke des heterogenen Berliner Musiklebens, in der es abends hoch her geht, und in der man mit netten Mädels und freundlichen Jungs flirten kann, denn, nun ja, so ganz soll der Name schließlich auch nicht untergehen, das erste Mal Petting, das sagt die Sängerin am Ende des Gesprächs kichernd, vergisst man nicht so schnell. JENNI ZYLKA

Petting Live: 11.2. im Bassy, Stadtbahnbogen 157-158, Monbijoupark, Mitte, CD „Volià l‘été“ auf Rod Records