al forno
: Winterrepublik Deutschland

FRANK KETTERER über olympische Plakettenzähler und eigenartige Medaillenlöcher

Es brennt jetzt also endlich in Turin, und so wird die Welt für die nächsten 14 Tage ihr Drehen einstellen und alle Menschen zu einem einzig Brüdervolk von Skispringern, Biathleten, Eisschnellläufern und natürlich Rodlern werden lassen, selbst jene, die in Landstrichen leben, auf die noch nie ein Flöckchen Schnee gefallen ist.

Es ist Olympia – und es geht, wie immer, wenn sich die Besten der Welt zu ihren Spielen treffen, um verdammt viel, nämlich um Gold, Silber und Bronze – und eine ganze Menge Zaster obendrein. Nur mal so zum Beispiel: 15.000 Euro zahlt die Stiftung Deutsche Sporthilfe jedem ihrer Goldmedaillengewinner, was eine ganze Menge sein mag, andererseits doch nichts anderes ist als ein verschwindend geringes Sümmchen angesichts der Tatsache, dass Gastgeber Italien Gold mit 130.000 Euro entlohnt. Andererseits: Italien kann sich das leisten, schließlich wird der Stiefel selbst bei seinen Heimspielen nie und nimmer so viele Medaillen gewinnen wie: Deutschland – also wie wir.

Nur zur Erinnerung: Vor vier Jahren, bei den Spielen in Salt Lake City, gewannen die Deutschen 36 Plaketten, nämlich genau 12-mal Gold, 16-mal Silber sowie 8-mal Bronze. Zwar sagt Ulrich Feldhoff, Vizepräsident Leistungssport des Deutschen Sportbundes (DSB) und damit qua Amt einer der größten Medaillen-, um nicht zu sagen Erbsenzähler dieses Landes: „Das Traumergebnis von Salt Lake City kann man nicht wiederholen.“ Aber viel weniger, bitte schön, soll es schon auch nicht werden. „Nach den Analysen der Ergebnisse dieser Saison könnten zwischen 24 und 29 Medaillen herausspringen“, hofft Feldhoff jedenfalls. Und wird dabei prompt flankiert von NOK-Boss Klaus Steinbach, der in der für ihn typisch ungelenken Weise formuliert: „Das Leistungspotenzial unserer Sportler ist vergleichbar groß wie in Nagano 1998 und Salt Lake City 2002.“

Es wäre nicht ganz unwichtig – und zwar für den gesamten deutschen Sport, auch den im Sommer. Die Bundesrepublik ist schließlich immer noch dessen größter Sponsor und ihre Kassen sind zunehmend leer. Da sollte man schon mal unter Beweis stellen, dass man all die Fördermillionen ordentlich nutzt und sich die Investitionen auch lohnen, sonst könnten die Streichungen weitaus höher ausfallen, als sie ohnehin befürchtet werden. Zumal dem deutschen Sport ja eine Fusion ins Haus steht, nämlich jene von Sportbund und Nationalem Olympischen Komitee zum dann neuen Deutschen Olympischen Sport-Bund.

Der ist zwar längst beschlossene Sache, geregelt aber ist die Finanzierung des DOSB deshalb noch keineswegs, ganz im Gegenteil. „Es wäre wichtig, dass wir mit einem überzeugenden Ergebnis nach Hause fahren“, sagt wohl schon im Hinblick darauf Ulrich Feldhoff, und immer noch mau ums Herz dürfte dem knorrigen Funktionär werden, wenn er zurückdenkt an den Sommer von Athen, wo die deutsche Mannschaft von einem Ausfall nach dem anderen heimgesucht worden war und es im Anschluss an die Spiele nicht wenig Diskussion gab über den deutschen Sport – und natürlich über sein Fördersystem.

Solche negative Schlagzeilen wollen sich die Herren Feldhoff und Steinbach in und nach Turin ersparen, und zumindest die Chancen hierauf stehen gar nicht so schlecht. Deutschland ist schließlich ein Land der Wintersportler, mehr wie es jedes andere Land dieser Welt ist, mit Ausnahme von Norwegen vielleicht. Also wird es auch Medaillen geben für die Winterrepublik Deutschland, die hier in Turin übrigens etwas ganz Besonderes sind.

Wenn abends auf der Piazza San Castello in Turin die Sieger geehrt werden, hängt man ihnen nämlich keinesfalls eine der üblichen Plaketten um den Hals, sondern eher eine Art Nichts, um das man einen Ring geformt hat, was schon deshalb geschehen ist, damit man das Nichts überhaupt an die Hälse der Sieger hängen kann. Soll en détail heißen: Die Turiner Medaillen haben in der Mitte ein Loch – und dass just dieses die Piazza, also das soziale Zentrum eines typischen italienischen Ortes, symbolisieren soll, ist doch irgendwie merkwürdig. Fast so sehr wie die Tatsache, dass selbst die Goldmedaillen in Turin nur aus Silber bestehen, das mit einem genau 6 Gramm schweren Goldüberzug übertüncht wurde. Zum Trost für alle deutschen Olympioniken: Die 15.000 Euro gibt’s außerdem – und ganz in echtem Geld.