Die Bahn boykottiert

Um das schlechte Image der Deutschen Bahn AG aufzupolieren, bedient sich der Konzern seltsamer Mittel: Statt den Service zu verbessern, boykottiert die Bahn kritische Medien mit Anzeigenstopps

VON STEFFEN GRIMBERG

Die Deutsche Bahn AG ist ein Kommunikationswunder. Mit einem kleinen Anzeigenboykott wegen kritischer Berichterstattung im Wirtschaftsmagazin Capital bringt sie mal eben die gesamte Medienszene gegen sich auf. Bahnchef Hartmut Mehdorn braucht nur einen gerade mal zwölf Zeilen langen Brief, um den Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages endgültig zum Feind zu haben.

Gut, der Vorwurf des Geheimnisverrats durch einen anonymen „Mitarbeiter einer Bundestagsfraktion“ (Mehdorn) ist nicht von Pappe. Und dass eine für den Bahnchef unvorteilhafte Berichterstattung natürlich „ohne Sachkenntnis“ bzw. „vorsätzlich verzerrend“ bzw. „nahezu zu Verschwörungstheorien aufgebauscht“ ist, gehört zur gesunden Abwehrhaltung von Konzernbossen. Doch wie schafft der Mann, den sie im Verkehrsministerium liebevoll „kleine Dampfwalze“ nennen, das alles? Mehdorns offenes Geheimnis heißt Dieter Hünerkoch.

Hünerkoch, einst Ressortleiter beim Stern und Träger des renommierten Wächterpreises, war bis Anfang 2004 oberster Sprecher seines Herrn. Und arbeitet auch nach seinem Ausscheiden aus den unmittelbaren Bahndiensten weiter für als Berater für die bundeseigene AG.

Noch bevor sein früherer Chef und heutiger Kunde Mehdorn zum Griffel griff, um die Parlamentarier zu verschrecken, hatte sich Hünerkoch schon bei Capital gemeldet: „Da wir uns nicht kennen, möchte ich an dieser Stelle sagen, dass ich als Berater auch für die Deutsche Bahn tätig bin“, schriebt Hünerkoch an Capital-Chefredakteur Klaus Schweinsberg. Und damit keiner auf falsche Gedanken kommt: „Dieser Leserbrief ist aber weder mit jemandem von der Bahn abgesprochen oder gar von jemandem initiiert. Er ist meine – übrigens auch journalistisch – ehrliche Meinung zu dem Artikel.“ Die Hünerkoch, nur nebenbei, per Fax mit der Absenderkennung „DB AG“ an die Redaktion schickte.

Anders als Mehdorn im Brief an die Abgeordneten erging sich Hünerkoch auch nicht in anonymen Andeutungen, wo undichte Stellen und Capital-Quelle zu suchen seien. Er beschuldigt namentlich einen „ehemaligen Bediensteten der Deutschen Bahn AG“, der heute in der Tat für eine Bundestagsfraktion arbeitet. Und die Belege? Viele Bahner waren „wegen seiner Besserwisserei“ und seiner „nicht gerade offenen Art, interne Politik zu betreiben“ angeblich „heilfroh, als er das Haus verließ“. Nun befinde sich dieser „Büchsenspanner“ eben auf einem „Feldzug gegen die Deutsche Bahn und deren Vorstand“.

Wächterpreisverdächtig ist das nicht. Zumal die DB AG, falls die Capital-Berichterstattung tatsächlich fehlerhaft wäre, auf dem ganz normalen Weg über das Presserecht Anspruch auf Gegendarstellung oder Berichtigung geltend machen könnte. Doch das, so Capital-Chefredakteur Schweinsberg zur taz, sei Fehlanzeige: „Die Bahn hat sich in der Sache überhaupt nicht zu Wort gemeldet.“

Das passt und erinnert an eine Geschichte, die vor gut zwei Jahren spielte. Und Ende 2003 war Hünerkoch noch richtig gut: „Ein solches Gemisch aus Ideologie, Parolen und Vorurteilen wäre von meinem Schreibtisch direkt dort gelandet, wo es hingehört“, schrieb er damals als oberster Bahn-Kommunikator an das Manager Magazin. Man ahnt es schon: Es ging um eine kritische Bahn-Geschichte, für die Hünerkoch das schöne Wort „miserabeloberflächlich“ kreierte. „Sie bewegen sich auf der Ebene von Leuten, die nicht argumentativ, sondern ideologisch unterwegs sind“, durfte MM-Chefredakteur Arno Balzer lesen: „Eine Antwort auf dieses Schreiben können Sie sich sparen.“ Auch damals gab es keine presserechtlichen Schritte der Bahn gegen das Blatt. Sondern einen Anzeigenboykott.

Wenn die Bahn wirklich solche Probleme mit ihren Schulden habe, wie der Capital-Fall das nahe lege, „und an dieser Stelle an Anzeigen spare müsse“, so Balzer gestern zur taz, mache das natürlich schon fast wieder Sinn.