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LESERINNENBRIEFE

Verständliche Wahlmüdigkeit

■ betr.: „Der Frust geht uns alle an“, taz vom 19. 6. 13

Über die zunehmende Wahlmüdigkeit müsste Herr Schulte sich nicht wundern, wenn ihm aufgefallen wäre, dass eine wichtige Voraussetzung für jede Wahl inzwischen nicht mehr gegeben ist: Für eine demokratische Wahl unerlässlich ist doch, dass man zwischen verschiedenen Politikentwürfen auswählen kann und sich dann für denjenigen entscheidet, der den eigenen Interessen am meisten entspricht. Alle relevanten Entscheidungen in der Wirtschafts-, Finanz-, Arbeitsmarkt-, Sozial- und Kriegspolitik sind sowohl von Schwarz-Gelb wie auch von Rot-Grün gemeinsam verabschiedet worden. Das Ergebnis war immer das Gleiche, nämlich eine neoliberale Politik zugunsten von Lobbygruppen mit der Folge der immer weiter auseinanderklaffenden Schere zwischen Arm und Reich, ein sich immer weiter ausbreitender Niedriglohnsektor, ein Kaputtsparen der Infrastruktur, eine zunehmende Verschuldung der öffentlichen Haushalte bei gleichzeitigem exorbitanten Anwachsen der großen Vermögen. Dabei ist es durchaus nicht so, dass es gar keine Opposition gibt. Die Linke hat gegen alle Beschlüsse zum Abbau des Sozialstaats, zu Privatisierungen und Deregulierungen, welche zu den oben genannten Problemen geführt haben, durchweg gut begründete Gegenpositionen eingenommen. ERNST-W. BELTER, Waltrop

Damit wir werden wie Cohn-Bendit?

■ betr.: „Welzer und die Köchinnen“, taz vom 12. 6. 13

Stärkung demokratischer Institutionen durch Wahlboykott – das könnte das Ziel eines Intellektuellen sein, der Mathias Greffraths Ansprüchen genügen möchte. Er hat recht und unrecht: Welzer unterschätzt vielleicht tatsächlich die Wichtigkeit von Politik gegenüber privaten Initiativen. Aber: Wahlboykott muss nicht heißen, dass Welzer „das politische Handtuch (wirft)“, auch nicht, dass er seine noch vor 18 Monaten gehegte Hoffnung auf eine durch Intellektuelle angeleitete Abwehr des neoliberalen Angriffs auf die Demokratie aufgegeben hat. Greffrath meint, wie ein kultureller Wandel bei Rauchverboten und Homo-Ehe, angestoßen von einer Minderheit der Bürger, allmählich die Parteien erreicht hat, könne es auch beim Übergang zu einer postfossilen Nationalökonomie geschehen. Auf diese Weise soll auch die „Exekution der Profitmargen durch metanationale Sachzwangagenturen“ zu beenden sein? Wir machen täglich die Erfahrung: Bei den unnützen Großprojekten dieser Institutionen gibt es kein Nachgeben; deshalb nennt Greffrath sie ja so. Und wie gehen wir dann mit der Buchstabeneinheitssuppe CDUFDPSPDGRÜNELINKE um? Welche Buchstaben wählen wir (aus) und bei welchen engagieren wir uns? Damit wir werden wie Fischer & Cohn-Bendit? Wahlboykott, nicht still, leise und ununterscheidbar von Ignoranz und Resignation, sondern laut proklamiert als politischer Akt und Aktion kann den Entscheidungsweg von der „Sachzwangagentur“ über die Legislative zur Exekution delegitimieren und an das erinnern, was Demokratie meint: vom freien Diskurs zur (parlamentarischen) Entscheidung und Realisierung. Das beabsichtigen Initiativen wie „Gläserne Urne“. Daraus könnte dann auch eine „Renaissance des Parlamentarismus“ werden. KONRAD NESTLE, Stuttgart

Merkel mit kühlem Kameralächeln

■ betr.: „Schluchzender Steinbrück“, taz vom 17. 6. 13

Es ist seltsam, zu sehen wie die deutsche Presse Angela Merkel hochschreibt und Peer Steinbrück niederschreibt. Da werden Steinbrücks Fehler gesucht und ausgeweidet, während Merkels christliche Arbeitsmoral hochgehalten wird. Folgendes ist auch Fakt: Merkel hat dem IWF das Tor nach Europa geöffnet, einer Institution, die de facto seit ihrer Gründung dafür existiert, Länder zu unterjochen und Gemeineigentum in die Hände weniger zu privatisieren. Ich erinnere mich hierbei auch an die angenehmen Wutausbrüche Steinbrücks – sehr menschlich. Es wäre doch mal schön, wenn so ein Bild veröffentlicht würde: Steinbrück mit wutglühendem Kopf, wenn Finanzbanker ihre Ausbeutung vorbereiten; und Merkel mit kühlem Kameralächeln und gefalteten Händen, wenn die Griechen die Folgen der verheerenden Maßnahmen des IWF zu spüren bekommen. Warum stehen nicht spirituelle Werte im Kern der Gesellschaft, so wie bei jedem Individuum (und auch in der Verfassung der USA)? TILL FRISCHMUTH, Ottersberg

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