Etwas mehr Mühe, Frau Kelek!

betr.: „Auf den Tisch damit!“ von Necla Kelek, taz vom 3. 2. 06

Liebe Frau Kelek, Ihre Interpretation des offenen Briefes der sechzig Migrationsforscher überrascht mich. Zuallererst wundert mich, dass Sie sich nicht zu dem Vorwurf äußern, die gleichen Interviews, die Sie für Ihre Dissertation verwendeten, für Ihr Buch in vollkommen gegensätzlicher Weise ausgewertet und verwendet zu haben. Die fehlende Stellungnahme zu diesem Punkt, Frau Kelek, macht mich, was Ihr wissenschaftliches Vorgehen betrifft, doch sehr skeptisch.

Auch ein Hang, „ ‚türkische‘ oder ‚islamische‘ Verhaltensweisen zu deuten“, indem Sie sie „unreflektiert auf die islamische Religionszugehörigkeit“ oder auf die „türkisch-islamische Kultur“ zurückführen, wird Ihnen zum Vorwurf gemacht. Dass dies zu einer Verhärtung von stereotypen Bildern führt und der Trennung der Gesellschaft in ein „wir“ und ein „sie“ Vorschub leistet, erscheint mir überaus logisch. Darüber hinaus klagt der Brief vor allem Politik und Medien an, welche unwissenschaftliche Literatur den neueren Forschungsergebnissen vorziehen.

Anstelle von Anschuldigungen hätte ich mir eine Stellungnahme zu den angesprochenen Punkten gewünscht; getragen von der Hoffnung auf eine sachlich geführte Debatte zu Migration, Integration und Islam, aber auch zu Themen wie „Zwangsheirat“, die in der Tat vernachlässigt wurden. Eine Debatte zwischen Wissenschaftler/innen, die Forschungsergebnisse aufzuweisen haben, die die kulturalisierenden Bilder aufbrechen und an ihrer Stelle vielfältige Lebensentwürfe und Perspektiven aufzeigen, und jenen, die trotz dieser Ergebnisse an überholten Bildern festzuhalten scheinen und auf dieser Grundlage (!) Politik machen.

Es wurde Zeit, dass diese Wissenschaftler/innen an die Öffentlichkeit gehen. Ach, und Frau Kelek, wenn Sie sich mal die Mühe machen wollten, nach Literatur von den Unterzeichner(inne)n zu suchen, die rational gewonnene Ergebnisse „auf den Tisch bringen“, glauben Sie mir, Sie würden fündig werden. WIEBKE SCHARATHOW für bipadKooperationsnetz für Bildung, Partizipation und Diversität