Bolschewistisch retouchiert

LENINISMUS Dietmar Dath feiert in der Biografie „Rosa Luxemburg“ ihren Bolschewismus, ihre Kritik an Partei und Revolution lässt er weg. Über Daths politische Vorlieben erfährt man mehr als über Luxemburg

Um Rosa Luxemburg soll es gehen, doch die heimliche Hauptfigur ihrer Biografie, die Dietmar Dath gerade veröffentlicht hat, heißt Lenin. Gegen die landläufige Verharmlosung Luxemburgs zu einer guten Demokratin, die eigentlich nur die Freiheit der Andersdenkenden im Sinn gehabt habe, bietet Dath eine bolschewistische Luxemburg auf, die sich mit dem russischen Revolutionsführer in allen wichtigen Fragen einig und ansonsten im Unrecht gewesen sei.

Luxemburgs Polemik gegen den bolschewistischen Kult der Parteidisziplin taucht ebenso wie ihre Kritik der russischen Revolution nur am Rande auf und wird sorgsam retouchiert. Beispielsweise war der autoritäre „Nachtwächtergeist“ nicht eine mögliche Entwicklung, vor der sie „Angst“ (Dath) hatte, sondern dieser, so schien ihr, lag Lenins „Ultrazentralismus … in seinem ganzen Wesen“ immer schon zugrunde. Auch hatte sie keineswegs behauptet, der Reformismus komme „nur im Westen“ (Dath) vor, sondern sie kritisierte Lenins bürokratische Illusion, diesen „durch ein Organisationsstatut von der Arbeiterbewegung fernzuhalten“. Überhaupt erwärmt sich Dath für den verblichenen Staatssozialismus und bewundert Lenin für die „immerhin siebzig Jahre währende Destabilisierung der kapitalistischen Geschäftsgrundlagen“ – als hätte irgendetwas die Arbeiterklasse im Westen stärker an die Verhältnisse gekettet als die schaurige Karikatur der befreiten Gesellschaft im Osten.

Dath wertet Stalins Urteil über Luxemburgs Eingriffe in die russischen Debatten als „historisch zutreffend“ und dessen Gedonner gegen die „organisatorische und ideologische Schwäche“ der westeuropäischen Linken vor 1914 als „nicht eben leicht von der Hand zu weisende Erinnerung ans Schicksal Luxemburgs und Liebknechts“. Weniger konziliant zeigt sich Dath gegenüber den antiautoritären Strömungen der alten Arbeiterbewegung. Den Rätekommunisten Anton Pannekoek, der die Bedeutung aufklärerisch wirkender Organisationen nie bestritt, kanzelt er als „doktrinären Spontaneisten“ ab. Den Linksradikalen hält er im Geiste staatsmännischer Verantwortungsethik vor, sich an Bewegungen zu orientieren, die „gescheitert sind und also keine Gelegenheit bekamen, mit der Macht irgendetwas Verwerfliches anzustellen“. Dieses Lied kennt man von der DKP; es ist die ins Politische gewendete Rede des Spießers an die Jugend, sie möge doch erst mal Arbeiten gehen, also sich die Hände schmutzig machen, bevor sie herumnörgelt.

Die Eroberung der Staatsmacht war Alpha und Omega der alten Arbeiterbewegung, der auch Luxemburg verhaftet blieb. Ob ihr Denken nur auf einen demokratischeren Staatssozialismus zielte oder ihre Schriften etwas bieten, das für die Aufhebung des Kapitals heute, unter anderen Bedingungen, von Belang wäre, ist eine Frage, die Dath nicht einmal zu stellen vermag. FELIX BAUM

■ Dietmar Dath, „Rosa Luxemburg“. Suhrkamp, Berlin 2010. 160 Seiten, 8,90 Euro