Polizei prüft Anzeige gegen Sarrazin

MUMM II Nach der Verhinderung seiner Abschiebung sitzt Usman Manir wieder in Abschiebehaft

Der Abbruch der Abschiebung kam „last minute“. Usman Manier, 27-jähriger pakistanischer Flüchtling, saß am Donnerstag schon im Air-Berlin-Flieger von Tegel nach Budapest, als der Protest des kanadischen Mitreisenden François-Xavier Sarrazin (38) die Ausreise verhinderte.

Schon vor dem Check-in hatten 50 Flüchtlingsaktivisten gegen die Abschiebung protestiert. Laut ihnen floh Manir vor der Taliban aus Pakistan und landete in Ungarn. Dort wurde er nach eigener Auskunft in einem Flüchtlingsheim von Unbekannten angegriffen und erlitt einen Schädelbruch. Manir klagt seitdem über Taubheit auf einem Ohr und Panikattacken. Er floh erneut und wurde im Mai in Pirna, Sachsen aufgegriffen. Brandenburg nahm ihn „in Amtshilfe“ in Eisenhüttenstadt in Abschiebehaft. Von dort sollte er, gemäß Asylverordnung Dublin II, zurück ins Ersteinreiseland Ungarn. Laut der am Flughafen tätigen Bundespolizei waren keine Polizisten an Bord, da von einer freiwilligen Ausreise Manirs ausgegangen wurde. Es kam anders.

Während der Flug nach dem Protest ohne Manir und Fluggast Sarrazin verspätet nach Budapest abhob, sitzt der Flüchtling wieder in Eisenhüttenstadt. Laut Unterstützern wurde seine Abschiebehaft um drei Wochen verlängert. Das zuständige sächsische Innenministerium wollte sich zu dem Einzelfall nicht äußern. Grundsätzlich, so ein Sprecher, fielen mit dem Scheitern einer Abschiebung „die dafür maßgeblichen Gründe nicht weg“. Gebe es weitere Fakten, werde „unter Würdigung aller bekannten Umstände“ neu über den Fall entschieden. Andernfalls „wäre regelmäßig mit einer Wiederholung der Abschiebung zu rechnen“. Unterstützer fordern eine externe medizinische Untersuchung Manirs. Dieser sei durch den Angriff in Ungarn traumatisiert und dürfe nicht abgeschoben werden.

Indes prüft die Bundespolizei strafrechtliche Konsequenzen für Sarrazin. Infrage käme etwa Verstoß gegen das Luftsicherheitsgesetz, sagte eine Sprecherin. Widersetzt sich ein Passagier dem Flugkapitän oder Crewmitgliedern, können Geldbußen bis zu 25.000 Euro verhängt werden, bei Gewalt auch Freiheitsstrafen. Geprüft werde auch, ob ein „gefährlicher Eingriff in den Luftverkehr“ vorliege. Hierfür drohe in minder schweren Fällen immer noch eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Auch Nötigung komme in Betracht – Strafmaß bis zu drei Jahre. Oder Ordnungswidrigkeit wegen „Gefährdung der öffentlichen Ordnung“. Dafür droht eine Geldbuße. Entscheidend dürfte sein, wie die Rolle des Piloten gewertet wird. Laut Sarrazin hatte dieser ja dem Abbruch der Abschiebung zugestimmt. Und, so bestätigt die Bundespolizei, an Bord hat der Flugkapitän stets die Hoheitsgewalt. Unterstützer Manirs erklärten, auch Sarrazin beistehen zu wollen. KONRAD LITSCHKO