Empfindliche Seele

betr.: „Bilderverbot für Tierrechtler“, taz nrw vom 4.2.2006Wir lernen gerade, dass die Pressefreiheit ein so hohes Gut ist, dass die Veröffentlichung von Karikaturen, die den Propheten Mohammed darstellen, eben durch diese gedeckt ist und in einem demokratischen Rechtsstaat von niemandem verboten werden kann. Empört geben wir der islamischen Welt eine Lehrstunde in Freiheit und Toleranz. Gleichzeitig lesen wir, dass das Arnsberger Verwaltungsgericht die Veröffentlichung drastischer Tierfotos verbietet, mit denen auf unhaltbare Zustände im Bereich der Tierhaltung hingewiesen werden soll. Die sei nicht von der Pressefreiheit gedeckt und verletze Persönlichkeitsrechte.

Wie das? Täglich flimmert tausendfach brutale Gewalt gegen Menschen durch die Medien. Aber Bilder von misshandelnden Tieren, die Missstände in der Tierhaltung kritisieren, dürfen öffentlich nicht gezeigt werden? Erstaunt müssen wir feststellen, wie leicht doch auch in unserem Lande die Pressefreiheit eingeschränkt werden kann, z.B. von Provinzrichtern.

Wo bleibt der empörte Aufschrei? Offensichtlich ist die empfindliche Seele des deutschen Mittelstandsbürgers, die sich unter dem Motto „Geiz ist geil“ mit ihrem Körper gerne an billigem Fleisch labt und die bei ihrem irdischen Tun nicht unnötig irritiert werden darf, schützenswerter als die religiösen Gefühle eines gläubigen Moslems. Oder werden hier einfach nur die Interessen der Agrarindustrie geschützt, die Angst hat, Marktanteile zu verlieren? Richtig: Toleranz ist ein Vorrecht derer, die sich ihrer Herrschaft sicher sind (Max Frisch). HANS-OTTO WAGNER, Burbach