Streit in den Dünen

Während auf Sylt Großhotels zum Teil in unmittelbarer Nähe zu Naturschutzgebieten gebaut werden, soll ein Arzt sein Sommerhäuschen abreißen, das seit dem Zweiten Weltkrieg in den Dünen steht

Eine Sylt-Kennerin: „Jeder hätte es sicher gerne als Ferien- oder Wochenenddomizil“

von Eiken Bruhn

Im Sommer wohnt der Arzt Michael Eberlein in einer illegalen Bude. Mitten in einem Naturschutzgebiet in den Sylter Dünen zwischen Kampen und List haust er auf dreißig Quadratmetern, ohne Baugenehmigung errichtet, manchmal schauen seine beiden erwachsenen Kinder vorbei und leisten ihm bei seinem verbotenen Tun Gesellschaft. Das hat in der Familie Eberlein Tradition: Schon die Eltern des jetzigen Besitzers betrachteten von hier das Meer.

Der Kreis Nordfriesland will dieses Treiben nicht länger dulden, noch im Frühjahr soll Eberlein seine Sommerresidenz abreißen. „Das verstößt gegen das Gesetz“, begründet Hans-Martin Slopianka, Sprecher der Kreisverwaltung in Husum das Eingreifen der Behörde. Laut Gesetz dürfe man außerhalb der bewohnten Gebiete nicht bauen, es sei denn, es handle sich um Bauernhöfe, Atomkraftwerke und Windräder. „Der Gesetzgeber nimmt an, dass die Mehrheit der Bevölkerung sich eine ungestörte Natur wünscht“, erklärt Slopianka.

Leider könne man in diesem Fall kein Auge zudrücken, das habe man nämlich schon einmal gemacht: 1975, als Eberleins mittlerweile verstorbene Eltern einen Prozess gegen den Abriss verloren hatten. Die hatten das „Sylter Dünenhäuschen“ fünf Jahre zuvor gekauft, für 100.000 D-Mark und konnten nicht fassen, dass sie es so kurz danach wieder platt machen sollten. Der Kreis schloss einen Vergleich mit der Auflage, dass mit dem Tod der Besitzer deren Erben das Objekt abreißen müssten.

Doch die wehren sich mit Händen und Füßen. „Natürlich hat das persönliche Gründe“, sagt Michael Eberlein, er habe hier seine Kindheit verbracht und hänge an dem Haus. Und so einfach, wie die Behörden es sich machten – „Gesetz ist Gesetz“ – sei die Sache auch wieder nicht. Das Dünenhäuschen sei nicht irgendein Schwarzbau, der die Landschaft verschandele, sondern gehöre zu Sylt wie die Dünen und die Promenade von Westerland.

Errichtet während des Zweiten Weltkriegs diente es der Wehrmacht als Posten, die von dort Übungsabwürfe der Luftwaffe beobachteten. Danach wurden dort Flüchtlinge untergebracht, schließlich an die Besitzer des Landes, eine Sylter Familie, zurückgegeben, die es an Eberleins Eltern verkauften. „Das war immer auch so etwas wie ein kleiner Kulturtreffpunkt“, argumentiert Eberlein und verweist auf Besuche des Publizisten Walter Jens und des Dramatikers Rolf Hochhuth. Um die Hütte vor dem Abriss zu bewahren, würde er sie auch Kultur- oder Naturschutzvereinen zur Verfügung stellen oder als kleines Museum über Sylts NS-Vergangenheit einrichten. Das Problem: Zu viele Besucher würden die Dünenlandschaft zerstören.

Eberleins Empörung über die Unnachgiebigkeit der Behörde, wird von einigen Syltern und einer großen Zahl von Touristen geteilt. 1.500 Unterschriften für den Erhalt sind bis jetzt zusammengekommen. Auf der Homepage, die über den Streit informiert, fragen viele, wen das kleine Häuschen stören solle, das schon oft Schutz vor Unwetter geboten habe. Und eine „Grit“ will den „puren Neid“ als Motiv erkennen. „Jeder hätte es sicher gerne als Ferien- oder Wochenenddomizil.“

Offenbar ist genau das der Grund dafür, dass die Behörde so unnachgiebig auftritt, schließlich ist Sylt ein Fleckchen Erde, auf dem eine Menge Leute gerne bauen würden – und dafür auch die Genehmigung bekommen. Derzeit sorgen mehrere geplante Hotelneubauten für Streit auf der nordfriesischen Insel. Vor allem ein TUI-Hotel mit knapp 600 Betten direkt am Meer wird von vielen Syltern abgelehnt, da sie Massentourismus und eine Beeinträchtigung der Natur befürchten. Dass dieses und andere Projekte genehmigt werden, seine kleine Hütte aber abgerissen werden soll, bringt Michael Eberlein auf die Palme. „Das ist doch ein Ablenkungsmanöver von den eigentlichen Problemen.“

Doch nachdem jetzt auch der Denkmalschutz abgewunken hat – „kein Kulturdenkmal besonderer Bedeutung“ – bleiben Michael Eberlein jetzt nicht mehr viele Hoffnungen. Auch der Bürgermeister der Gemeinde List, der sich nicht hinter das Anliegen Eberleins stellen mag, pocht auf die Einhaltung der Gesetze. „Wir können nicht dagegen verstoßen“, sagt Wolfgang Sprenger von der Wählergemeinschaft FWG. So groß sei das Bürgerinteresse am Erhalt nun auch wieder nicht.

Zwei Prozesse hat Eberlein schon verloren, eine dritte Entscheidung fällt womöglich erst in einem Jahr, wenn das Haus bereits dem Erdboden gleich gemacht wurde.