Auftritt der wüsten Burschen

Beim VfL Wolfsburg holt Hertha mit null Chancen einen Punkt und bekommt zwei rote Karten.Das ziemlich glückliche Unentschieden ist auch Ausdruck des derzeitigen Mittelmaßes der Bundesliga

VON PETER UNFRIED

Ein klassisches „Ja, aber …“-Spiel erkennt man daran, dass hinterher alle „aber“ sagen. „Also, Falko“, brummte etwa der Wolfsburger Trainer Klaus Augenthaler, nachdem Falko Götz das 1:1 von Hertha BSC Berlin beim VfL Wolfsburg analysiert hatte. „Ich mag dich ja recht gern, aber …“ Aber, was? Aber der Hertha-Trainer habe wohl „das falsche Spiel gesehen“. Götz hatte davon geredet, er wisse gar nicht, ob er sich ärgern oder freue solle. Man sei schließlich gekommen, um zu gewinnen und letztlich nur durch zwei rote Karten davon abgebracht worden. Davor habe man „genau das gemacht, was wir machen wollten“.

Falls das so war, muss man daraus schließen, dass Götz etwas Einzigartiges geplant hatte: ohne ein eigenes Tor zu gewinnen. Nach vorn machte man nämlich gar nichts. Stellvertretend sei Marcelinho genannt, der als zweite Spitze agierte, sich aber im Wesentlichen darauf beschränkte, mit Schicksal und Mitspielern zu hadern. Das 0:1, Marcelinhos achtes Saisontor (32.), per Strafstoß bekam Hertha von Wolfsburgs Verteidiger Franz geschenkt.

Wolfsburg hatte eines seiner besseren Spiele in dieser Saison gemacht, den Gegner meist dominiert, zeitweise gar Kombinationsfußball probiert und sich redlich Chancen und Überzahl nach den beiden berechtigten roten Karten gegen Fathi (54.) und Friedrich (78.) erarbeitet. Aber: Im Powerplay gegen neun Herthaner wurde nicht der Siegtreffer herausgespielt, weshalb man weiter in Sichtweite der Abstiegsplätze rangiert (13. Platz).

„Einstellung und Kampf waren in Ordnung“, sagte Stürmer Mike Hanke. Aber? „Bei den vielen Torchancen hätten wir gewinnen müssen.“ Hanke selbst malochte 90 Minuten, verarbeitete unzählige Bälle, kam zu einer ganzen Reihe Chancen. Aber: Er schoss kein Tor. Er sei „zweimal schon am Jubeln“ gewesen. Bei einem Kopfball (25.), einem raffinierten 18-Meter-Schuss (34.) Aber? „Der Fiedler hat die Bälle sensationell herausgeholt.“

Hertha-Keeper Christian Fiedler war nach zweiwöchiger Verletzungspause erstmals wieder dabei. Er habe „zwei, dreimal Weltklasse gehalten“, sagte Augenthaler. „Wir verdanken ihm den Punkt“, sagte Mitspieler Bastürk. Wie man das gern macht beim Fußball, waren Trainer und speziell Spieler redlich bemüht, das „Ja“ zu sehen, das „aber“ nach hinten zu drängen.

Doch wenn man ein „Ja, aber“ konsequent und ehrlich zu Ende denkt, bleibt kein „Ja“ übrig, sondern ein „aber“. Zum Beispiel: Hat Fiedler eben nicht Weltklasse gehalten, sondern den anderen spielentscheidenden Fehler gemacht. Trainer Götz und Kapitän Friedrich verteidigten Fiedler und verwiesen auf die „fehlende Zuordnung. Aber letztlich war es der Keeper, der vor Hoflands Ausgleich zum 1:1 (63.) unter Karhans Freistoß durchlief.

Doch Hertha hat das Spiel nicht verloren, sondern den Punkt festgehalten, woran sich nun alle klammern. „Wenn man zu neunt einen Punkt holt, muss man zufrieden sein“, sagte Nico Kovac. Stimmt. Aber: Die mangelhafte Balance im Team, die fehlende Integration des Stürmers (diesmal Sverkos) ins 4-3-2-1 und die offensichtlichen Probleme bei Abwehren von Standards (15. Gegentor) bieten Potenzial für Verbesserungen. Und nun gehen auch noch die Verteidiger aus: Vier sind verletzt (Simunic, Schröder, Gilberto, van Burik); Friedrich und Fathi können zwar am Mittwoch im Uefa-Cup gegen Bukarest ran, sind aber für die Bundesliga gesperrt.

Dennoch ist Hertha mit dem fünften Remis in Folge und nur einem Sieg aus den letzten zwölf Spielen immer noch auf Uefa-Cup-Kurs, also „genau im Zielkorridor“, wie Götz das nennt. Wie kommt’s? Vermutlich ist das Berliner Mittelmaß Ausdruck des derzeitigen Mittelmaßes der ganzen Bundesliga.