„Zwischen Pest und Cholera“

PODIUM ExpertInnen diskutieren über die humanitäre Lage der Minderheiten in Syrien

■ 52, ist Nahost-Referent der Gesellschaft für bedrohte Völker, wurde in Syrien geboren und lebt seit 23 Jahren in Deutschland.

taz: Herr Sido, welche Rolle nehmen Minderheiten im syrischen Bürgerkrieg ein?

Kamal Sido: Die Kurden und andere Minderheiten, vor allem die Christen, sind zwischen die Fronten geraten. Sie befinden sich zwischen Pest und Cholera.

Warum das?

Sie wollten immer einen Regime-Wechsel, jetzt sind sie mit einer neue Bedrohung konfrontiert.

Inwiefern?

Die Gefahr einer islamistischen totalitären Ideologie durch Kräfte der Opposition ist in Syrien sehr real. In Aleppo sind zwei Bischöfe entführt worden, christliche Dörfer in der Provinz Homs sind fast vollständig entvölkert, im Osten des Landes werden christliche Frauen immer wieder angegriffen.

Und die Kurden?

Die wollten die Situation dazu nutzen, die eigene Verwaltung auszubauen. Die islamistisch unterwanderte Freie Syrische Armee, aber auch die Nusra-Front, die syrische Filiale von Al-Quaida, bekämpfen diese Bestrebungen aber.

Warum bekämpfen die den Versuch einer Selbstverwaltung der Kurden?

Die Autonomie widerspricht ihrem Islamverständnis. Kurden sind religiös toleranter, die Frauen freier. Sie und andere Minderheiten wollen föderale Strukturen. Die Opposition will die Regierung der Aleviten nur durch die Muslim-Brüder austauschen. Deswegen sollten an sie auch keine Waffen geliefert werden.

Sollte Syrien also sich selbst überlassen werden?

Der Westen muss sich mit Russland einigen und ein vollständiges Konzept für ein Syrien nach Assad entwickeln, bei dem auch die Minderheiten beteiligt sind. Es bedarf einer internationalen, konstruktiven Intervention.

Auch militärisch?

Ja, wenn ein Konzept von der UN abgesegnet ist. Die Bevölkerung muss vor Assads-Luftwaffe und auch vor den Islamisten beschützt werden.  Interview: jpb

Diskussion: 13 Uhr, Kulturzentrum Lagerhaus