Verleger sind für billigeren Journalismus

KRISE Der Tarifvertrag für Zeitungsredakteure läuft zum Ende des Jahres aus. Sind sie zu faul?

Schon derzeit wird gestrichen, zusammengelegt und ausgelagert

Die Financial Times Deutschland ist dahin, der Traum einer großen zweiten deutschen Nachrichtenagentur mit der Pleite der dapd geplatzt, und die Frankfurter Rundschau hat gerade noch einen Retter gefunden: Der Journalismus steht längst selbst ebenso unter Druck wie viele der Branchen, über die Medien sonst berichten. Die Zeitungsverleger machen sich diese Krisenstimmung zunutze.

„Die vor uns liegende Tarifrunde wird nicht mehr so verlaufen können, als ob sich die Welt nicht gewandelt hätte“, mahnt Georg Wallraf, dessen Verlegerverband BDZV 298 Tages- und 13 Wochenzeitungen hinter sich weiß. Es geht um die Bedingungen für rund 14.000 Zeitungsredakteure – und um das redaktionelle Arbeitsklima der Zukunft.

Seine Kampfansage hat Wallraf im Journalist notiert, dem Magazin der Gewerkschaft DJV. Wallraf verweist auf „sinkende Auflagen, zurückgehende Werbeerlöse und die Konkurrenz weltweit agierender Player im Internet“. In diesen Zeiten sei „ein Abschied von ‚automatischen‘, beamtenähnlichen Gehaltserhöhungsmechanismen“ nötig. Gegen die vermeintliche Übermacht von Google und Co sollen also Leistungsprämien helfen.

Die Gewerkschafter reagieren gereizt. Wallraf unterstelle den Kollegen „mangelnde Leistungsbereitschaft“, ärgert sich Kajo Döhring. Er wird dem BDZV-Funktionär schon bald am Verhandlungstisch begegnen, denn: der laufende Manteltarifvertrag für Zeitungsredakteure läuft zum Ende dieses Jahres aus.

Gewerkschafter Döhring sagt, das Klischee des faulen Redakteurs habe mit der Realität nichts zu tun. In den Redaktionen werde „deutlich länger“ gearbeitet, als es die tarifliche Wochenarbeitszeit von 36,5 Stunden vorsehe. „Dieser Beruf ist eben nach wie vor auch Berufung“, sagt Döhring. „Diese Haltung darf nicht von Sparkommissaren missbraucht werden.“

Dass Jahr für Jahr immer mehr Menschen auf gedruckte Zeitungen verzichten, ist kein Geheimnis. Gänzlich offen ist allerdings die Frage, wie es den Verlagen wirtschaftlich wirklich geht: Sie sind meist Mittelständler. Vom börsennotierten Axel-Springer-Verlag ist daher zwar bekannt, dass Tageszeitungen für ihn weiter eine Geldmaschine sind. Wie es aber um die Rendite etwa einer Rheinischen Post oder eines Wiesbadener Kuriers bestellt ist, weiß außerhalb der Verlagsräume keiner.

„Die Verlage müssten ihre Zahlen im Einzelnen offenlegen, um uns vom Notstand der Branche zu überzeugen“, sagt DJV-Mann Döhring, der bis dahin lediglich „vereinzelten wirtschaftlichen Druck“ anerkennen will.

Hinzu kommt: Medienhäuser haben früh gegengesteuert. Viele haben Arbeitsplätze gestrichen, Redaktionen zusammengelegt oder Mitarbeiter in Schwestergesellschaften ausgelagert, die sich dem Flächentarif entziehen. Auch die Journalisten haben eine eigene Vorstellung davon, was aus den Verhandlungen rauskommen soll, die „in den nächsten Wochen“ beginnen sollen: Der DJV fordert 6 Prozent mehr Geld. Verantwortungslos! – rufen die Verleger. Außerdem wehren sie sich auch im Jahr 2013 dagegen, Mitarbeitern einen Tarifvertrag zu gönnen, die das Geschäft mit der Zukunft richten sollen: Onlineredakteure sind finanziell gesehen noch immer Journalisten zweiter Klasse, obwohl sie längst nicht nur Agenturtexte onlinestellen, sondern verzahnt mit den klassischen Redaktionen arbeiten.

DJV-Mann Döhring will diese Lücke mit einer Neuauflage des Tarifvertrages schließen. Die Verleger hingegen drohen vor Beginn der Verhandlungen. „Soll das bestehende Tarifwerk als Flächentarif erhalten bleiben“, schreibt Verhandlungsführer Wallraf, „muss das schwierige Umfeld berücksichtigt werden“. DANIEL BOUHS