SCHLAFEN AUF DER DEMO
: Am Revolutionsende

Am Oranienplatz holen wir das Ende der Revolution ein

Fup macht die Augen auf und gähnt. Es ist neun Uhr. Er sagt: „Machen wir heute wieder Flashmob?“ Ich sage ihm, dass „Flashmob aus ist, aber vielleicht gibt es noch Demo“. „Was ist Demo?“, fragt Fup. Ich sage: „Latschen Leute zusammen durch die Gegend und würden gerne Revolution machen.“

„Revolution?“, fragt Fup. „Am besten, wir gucken mal, ob es heute eine gibt“, sage ich. Wir machen uns auf den Weg zum Kottbusser Tor. Dort treffen wir aber nur den „Çapulcu“ Imran, der auf den Stufen vor dem Café Kotti sitzt und mit seinem Apple wichtige Botschaften in die Welt versendet. Er sagt, dass die Revolution schon los ist, aber noch nicht weit gekommen sein kann. Am Oranienplatz haben wir die Revolution eingeholt. Zumindest das Ende. Fup ist mit seinem Tigerfahrrad unterwegs. Ich zu Fuß. Hinter uns fahren Polizeifahrzeuge, aber das wirklich offizielle Ende bildet der Alkoholiker mit den langen schwarzen Haaren und dem Cordjackett, der vor zwei Tagen noch Ärger mit den „Taksim ist überall“-Türken vom Kottbusser Tor hatte, weil er ihnen auf die Nerven ging. Jetzt schwenkt er eine Türkeifahne und macht den Ordner. Ich frage ihn, ob alles okay ist. Er nimmt mich freundschaftlich in den Arm und fragt, wie ich heiße. „Klaus? Schöner Name“, säuselt er. „Na ja“, sage ich, „habe schon von schöneren Namen gehört.“ Er heißt Leon. Seine Mutter ist Italienerin, sein Vater Jordanier, oder umgekehrt, und er lebt auf der Straße. „Ich bin einzigartig“, sagt er noch, dann muss er wieder seinem Job als Ordner für das Revolutionsende nachgehen.

Fup wird müde, und ich wuchte ihn hoch auf meine Schultern. Er wiegt inzwischen gute 40 Pfund. Dort macht er es sich bequem, legt seine Arme auf meine Platte, bettet seinen Kopf darauf und schläft ein. Ich nehme mir vor, das nächste Mal auch so entspannt Revolution zu machen.

KLAUS BITTERMANN