Der Raubritter

Ein Witz von einem Politiker. Jetzt ist es amtlich: Unionspolitiker Friedrich Merz hat keinen eigenen Humor

Einmal wurde Friedrich Merz weiß an diesem Karnevalsabend in Aachen. Als Gregor Gysi auf die Vergangenheit des Unions-Politikers zu sprechen kam – oben auf der Bühne. Als Gysi aus dem Gedächtnis die taz zitierte, die seinerzeit etwas Pikantes über Merz heraus gefunden hatte. Dann sah man die Erleichterung im Steuerfachgesicht: Es handelte sich nicht um Familiengeschichten, bloß um die Zertrümmerung eines Halbstarken-Mythos. Und leider kommt dieser Ruhm nicht der taz zu, sondern einem Zeit-Leserbriefschreiber. Der zieh Merz einst der Unwahrheit. Jung-Friedrich habe als Teenager weder ein Mofa besessen, noch eine schulterlange Matte.

Am Samstag wurde Friedrich Merz zum 56. Ordensritter „Wider den tierischen Ernst“ geschlagen. Und erneut lieferte der Sauerländer Futter, an seiner Authentizität zu zweifeln. Bei der Aachener Rittergala versuchen sich ja Politiker ausnahmsweise als Humoristen. Auch Merz wollte beweisen, dass er eine Spaßbacke ist. Seine dann doch eher angestrengte Rede kreiste also um sein Lebensmotto: „Wenn ich Kanzler von Deutschland wäre“. Das Merkel-Opfer wandte sich gar mit einem 11-Punkte-Programm an die Jecken, das auch den Verkauf von Mecklenburg-Vorpommern vorsah. Nur schade, dass die Regierungserklärung nicht von Merz war, sondern vom Online-Satiremagazin „Zyn“.

Wort für Wort glich die Rede einer dort erschienenen fiktiven Bilanz von Heinrich von Pierer, dem Ex-Siemens-Chef, der als Regierungschef auf eine Amtszeit zurück schaut. Zur Urheberrechtsverletzung fällt der Freizeithumoristin nun nur noch ein Adjektiv ein: „widerlich!“ Ihr Anwalt prüfe die Schwere dieses „geistigen Diebstahls“.

Friedrich Merz versuchte sich in Ausflüchten. Er habe in der Rede nur eine Email verwurstet. Für den Wahlkampf sei die nicht zu gebrauchen gewesen, aber für Aachen, habe er sich gedacht. Wer ihm die Mail geschickt habe, nein, das wisse er nicht mehr, sagte Merz den Aachener Nachrichten – und hofft, die Sache damit vom Tisch zu bekommen. Unterstützung kommt auch vom Aachener Karnevalspräsidenten Dieter Bischof: „Jeder gute Witz wird zwei Mal erzählt.“

Eines dürfte den frisch gebackenen RAG-Berater in Sachen Börsengang immerhin erfreuen: Geistiger Diebstahl? Wenn Merz nicht schon 50 wäre, könnte es glatt als veritable Jugendsünde herhalten. C. SCHURIAN