ausgehen und rumstehen
: Überall Berlinale – und die Ermittlungsgruppe Tasche

Was diese lustige Berliner Polizei sich auch immer so ausdenkt! Freitag hat sie mir den Abend gerettet, als ich, müde und mit kinoquadratischen Augen auf die U-Bahn wartend, ihren neuesten Streich entdeckte: Ein A5-Plakat, darauf zwei Menschen am Restauranttisch, dem einen greift gerade unbemerkt eine Ganovenhand in die Handtasche, und was schreibt mein Freund der Pol.Präs. (von dem ich immerhin regelmäßig Post bekomme) darüber? „Abgespeist! Augen auf und Tasche zu!“

Vor dem „Restaurant-Trick“ wird gewarnt, und ich hatte ja immer gedacht, zu einem Trick gehöre auch etwas, na ja, irgendwie Trickreiches eben, aber das tumb-diebische In-die-Tasche- Greifen scheint der Polizei schon gewitzt genug. Nach „Gedränge nur dem Dieb gefällt, drum Augen auf und Hand aufs Geld“ ist das „Augen auf und Tasche zu!“-Plakat jetzt jedenfalls mein absoluter Lieblingspolizeitipp, zudem die Urheber dieses Wahnsinnsslogans sich auch noch „Ermittlungsgruppe Tasche“ genannt haben. Wie süß!

Oder besser, wie ernüchternd für die ehrgeizige Ehefrau eines dieser armen „Ermittlungsgruppe Tasche“-Tölpels, die immer gedacht hatte, ihr Männe macht irgendwann mal Karriere … und jetzt … berufliche Sackgasse „Ermittlungsgruppe Tasche“.

Aber apropos: Diese BerlinalebesucherInnen mit ihren viel zu großen Schräglage-Berlinaletaschen sind überall. Freitagabend haben sie mich bis in den niedlichen Salon Schmück in Kreuzberg verfolgt, wo ich viel Astrabier trinken musste, um nach den aufregenden Filmen wieder runter zu kommen. Mein Akkreditierungsnamensbadge hatte ich brav abgemacht, denn erstens habe ich auf dem Foto keine Nase und zweitens gibt es nichts Peinlicheres, als mit so einem Schild die ganze Nacht herumzulaufen. Die fremde Schräglagentaschentussi hatte ihres noch an, saß aber zu weit weg für meine kurzsichtigen Augen, sonst könnte ich sie jetzt hier namentlich schelten – wie peinlich wäre das erst mal!

Samstag versuchte ich es kurzerhand doch auf ein paar Berlinalepartys, und zwar erst beim Talent Campus im Haus der Kulturen, wo ein schüchterner, schmaler Norweger einen sympathischen Flirtversuch unternahm: „Are you talent?“ „No talent at all“, sagte ich, ich kann nicht mal Topflappen häkeln. Ansonsten war es dort exakt, wie es sein soll: Voll, und zwar alle, weil die Freigetränke sich zwar von Bier auf Wein und noch später nur noch Rotwein ausdünnten, aber bitte, wenn es doch umsonst ist. Außerdem waren Stars da, sogar solche, die man sehen möchte: Der tolle Devid Striesow, der reizende Dennis Moschitto, na bitte, geht ihr doch zu euren blöden George-Clooney-Natalie Portman-Langweilempfängen!

Ich hab’s jedenfalls noch bis zur Kanakwood-Party im HAU am Ufer geschafft, wo der Bär so dermaßen brummte, dass man nicht mehr an ein Morgen glaubte. Und diese ganze absurde Dänemark-Karikaturen-Geschichte erschien einem angesichts des höchstlebendigen Megamultikultiklientels, das da unter dem Vollmond zu schicken Discoclassics alles schüttelte, was es hatte, doppelt dämlich. Zum Glück habe ich aber nicht versucht, das zu kommunizieren. Ich war in einem Zustand, in dem Reden Silber, Schweigen Gold und Tanzen Platin ist. JENNI ZYLKA