Besoffen an der Spree

Es gibt Dance-Pop. Und es gibt Dance-Pop. Das eine hat mit dem anderen mitunter nicht viel mehr gemeinsam als einen Rhythmus, der recht deutlich als solcher zu erkennen ist. Wie unterschiedlich man heute klingen kann, während man Menschen zum Tanzen bringt, zeigen Frida Gold und Mega! Mega!

Die einen, Frida Gold nämlich, arbeiten sich an jener Dance-Pop-Variante ab, wie sie in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre entwickelt wurde. Über kräftig pumpenden Beats singen meist Frauen hell jubelnde Melodien, die gerne mit dem Autotune-Effekt aufgemotzt werden. Chers Comeback-Song „Believe“ war 1998 der erste große Hit, der diese Blaupause von den Clubs in die Charts führte, heute ist das Autotune-Gequietsche allgegenwärtig. Frida Gold, die eigentlich aus dem Ruhrgebiet stammen und mittlerweile in Berlin leben, adaptieren diese Idee durchaus versiert, versehen sie aber mit solch klischeedurchtränkten Texten, dass dann doch der ganze, mit viel Mühe errichtete Glamour wieder flöten geht. Man darf in der Popmusik sicherlich von der Liebe singen, gern auch ausschließlich, aber doch bitte intelligenter, als „allein“ auf „Schein“ zu reimen oder „wir war’n im selben Flow“ auf „ich vermiss das so“.

Ganz anders, aber nicht unbedingt feinsinniger, dichten Mega! Mega! Bei denen geht es selten um Liebe, jedenfalls nicht im romantischen Sinne, sondern eher um grundsätzlichere Probleme des jungen Menschen in der modernen Gesellschaft, also um: Identitätsfindung und die Sucht nach „15 Minuten Ruhm“, die Zumutungen der Erwerbsarbeit, den öffentlichen Nahverkehr und die Aufgabenstellung, was man im KaDeWe am besten klauen sollte, nämlich „Artischocken, Lachs-Carpaccio und Blanchet“. Im Großen und Ganzen verhandeln Mega! Mega! die weltbewegende Frage, ob man besser noch „besoffen an der Spree“ herumstehen sollte, wenn man sich eigentlich schon auf dem besten Wege zum „Schwiegersohn in spe“ befindet. Es geht also eigentlich ums Erwachsenwerden, aber das ist ein Wort, das sich nicht so prima schreien und grölen lässt. Aber das ist es, was Sänger Antonino Tumminelli meistens tut. Der Rest des Quartetts haut dazu kräftig auf die Pauke, und am Ende steht genau jener aufdringliche Electro-Krawall, mit dem eine Band wie Deichkind zuletzt Zehntausende ins Schwitzen brachte. Nennen wir es der Einfachheit halber also auch Dance-Pop. THOMAS WINKLER

■ Frida Gold: „Liebe ist meine Rebellion“ (Warner), Releasparty: 28. 6. im Heimathafen Neukölln

■ Mega! Mega!: „Behalt die Nerven“ (Warner)