Flucht à la Hollywood endet im Knast

PROZESS Schwerkrimineller Vergewaltiger und Räuber überredet seinen Bruder zu einer spektakulären Befreiung aus der Entziehungsklinik. Nun werden der Fluchthelfer und sein Freund verurteilt

Hollywoodreif war die Flucht aus der Entziehungsanstalt. Eher kläglich war der Eindruck, den die beiden Fluchthelfer Ulusoy B. (38) und Peter O. (63) am Mittwoch vor dem Amtsgericht hinterließen, das sie wegen Gefangenenbefreiung und eines Einbruchdiebstahls verurteilte.

Es war Sönmez B., der jüngere Bruder von Ulusoy, den die beiden Angeklagten – zwei Selbstständige im Baugewerbe – im Oktober 2010 aus der Entziehungsanstalt befreiten. Dem schwerkriminellen Vergewaltiger und Räuber war eine Kokainabhängigkeit attestiert worden, deshalb sollte er zunächst eine Drogentherapie absolvieren. Doch Sönmez B. war therapieunwillig, er überlegte vielmehr, wie er aus dem hochgesicherten Klinikbereich fliehen könnte.

Er verfiel auf die Simulation einer Blinddarmentzündung. Für deren Behandlung musste er in die Rettungsstelle verlegt werden. Gegen zwei Uhr nachts begleiteten ihn ein Pfleger und ein Wachmann in den Untersuchungsraum. Als man Sönmez B. die Handfesseln lockerte, sprang der Simulant auf, sprintete zum Ausgang und warf sich in das geöffnete hintere Seitenfenster eines Mercedes, in dem Ulusoy B. und Peter O. warteten. Ulusoy B. trat aufs Gaspedal und fuhr zu einem Hotel. Dort holte er einen Bolzenschneider und öffnete die Handschellen des Bruders.

Vier Monate später brach das Trio gemeinsam in eine Wohnung in Mitte ein: Sönmez B. brauchte Geld für seine geplante Flucht ins Ausland. Sein Bruder und dessen älterer Freund Peter O. sollten Schmiere stehen und den Schrank halten, den Sönmez B. aufzuflexen suchte, bis sie ihr Unternehmen vorzeitig abbrachen. Nach den Angaben der Bestohlenen soll Sönmez B. dennoch Schmuck gestohlen haben, seinen Mittätern gab er nichts ab. Er floh aus Deutschland, nach fünfmonatiger Flucht konnte man ihn in Ungarn verhaften. Nach einer weiteren Flucht sitzt er nun in der JVA Tegel.

Von einer „speziellen Psychodynamik“ sprach nun die Verteidigerin von Ulusoy B. Ihr Mandant habe sich aus emotionalen Gründen nicht dem manipulativen Verhalten des persönlichkeitsgestörten Schwerkriminellen entziehen können, der ihn bedrohte und beschwor: „Du musst mir helfen, nur noch einmal, du bist doch mein Bruder!“

Im April 2011 beschloss Ulusoy B., damit Schluss zu machen. Trotz Ächtung seiner Familie stellte er sich der Polizei, gab nicht nur die Gefangenenbefreiung und den Einbruch, sondern auch den Überfall auf einen Juwelier zu, den er gemeinsam mit seinem Bruder begangen hatte. Im November 2011 wurde er wegen des Raubes zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt, die der alleinerziehende Vater eines Teenagers seither im offenen Vollzug verbringt.

Am Mittwoch nun erhöhte das Gericht seine Gesamtstrafe auf vier Jahre. Für Peter O. sprach das Gericht eine Bewährungsstrafe von neun Monaten aus. Auf dem Gerichtsflur sprachen die besten Freunde bereits über neue Aufträge – im Baugewerbe.

UTA EISENHARDT