LESERINNENBRIEFE
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Zeit für Entwicklung und Erprobung

■ betr.: „Bildung für das 21. Jahrhundert“ u. a., taz vom 21. 6. 13

Christian Füllers Darstellungen erfreuen durch ihre Ironie, die den ganzen Wahnsinn der Entwicklungen der letzten Jahre aufzeigen. Die Formulierung von Standards und ihre Umsetzung in Kompetenzen sind die Zauberwörter, die gemeinsame Leistungsanforderungen in ganz Deutschland ermöglichen und garantieren sollen. Allerdings wird dabei unterschlagen, dass man schon innerhalb der „Wissenschaft“ und unter den „Kultusministerien“ völlig kontrovers diskutiert, was Standards und Kompetenzen eigentlich ausmachen und leisten können. Immerhin besteht Einigkeit darin, dass es zum Wesen der Standardorientierungen gehört, eine Beschreibung gemeinsamer Anforderungsbereiche und eine Fixierung gleichwertiger Anforderungslevels zu versuchen. (Es gab sie übrigens längst in Form der sinnvollen EPA – der „Einheitlichen Prüfungsanforderungen“ für das Abitur in Deutschland). Diese münden dann aber nicht automatisch in zentrale identische Aufgabenstellungen für alle, sondern können an unterschiedlichen Inhalten ausgewiesen werden. Vielleicht könnte man sogar begreifen, dass ein entsprechend orientiertes Abitur dezentrale Aufgabenstellungen nicht nur ermöglichen, sondern geradezu herausfordern könnte. Dezentrale Aufgabenstellungen können vertiefendem (besonders auch exemplarischem) und somit nachhaltigem Lernen wieder mehr Zeit und Raum geben, was bei zentralen Aufgabenstellungen verloren geht (teaching to the test). Wenn im Unterricht Lernmöglichkeiten vor Ort berücksichtigt werden können, wenn an bestimmten Interessen von SchülerInnen angeknüpft werden kann und auch besondere Qualifikationen von LehrerInnen eine Rolle spielen dürfen, dann werden Eigenständigkeit, Eingebundenheit und Erfolgszuversicht aller Beteiligten gefördert, was Motivationen und Lernerfolge von SchülerInnen maßgeblich bestimmt. Entsprechend könnten dann auch hohe Qualifikationen von SchülerInnen in einem Abiturabschluss auf der „Höhe der Zeit“ erbracht werden, die zudem den Anforderungen der Universitäten entsprächen. Politiker sollten sich vorsichtig, sensibel und problembewusst in der Öffentlichkeit zu „Schule“ äußern und betonen, dass es viel Zeit für die Entwicklung und Erprobung sinnvoller Reformen bedürfe. Die Fixierung auf Abiturabschlussarbeiten greift ohnehin zu kurz, weil diese immer nur einen Teil notwendigen Lernens (und besonders auch der Prüfungsnachweise!) erfassen. Aber es erscheint nicht ausgeschlossen, dass man demnächst ein europaweites Zentralabitur mit „gleichen Aufgaben für alle zur gleichen Zeit“ fordern wird, ohne mit der Komplexität der Materie ausreichend vertraut zu sein. WERNER FINK, Hannover

Nicht zu früh jubeln

■ betr.: „Ein Erfolg und viele Heuchler“, taz vom 24. 6. 13

Das ist hoffentlich der Beginn einer länderübergreifenden politischen Kultur in Europa, die dem hemmungslosen Privatisierungsfeldzug der neoliberalen Fundis im Rat und in der Kommission Kontra gibt. Die undurchsichtigen Machenschaften korrupter Entscheider sind an die Öffentlichkeit gebracht und von vielen Menschen erkannt worden. Vorsicht allerdings! Nicht zu früh jubeln! In vielen Demokratien ist es ein übler Brauch, dass die endgültige Fassung eines Gesetzestextes in einer allerletzten Überarbeitung durch die entsprechend platzierten Lobbyisten entscheidend verändert wird. Ein listig ausgedachtes Schlupfloch entsteht, das den heute bejubelten Erfolg zunichtemachen könnte. Wichtig ist es, dass vor Ort die Fachleute von „Wasser ist Menschenrecht“ Einsicht und Einspruchslegitimation haben, um die zu erwartenden miesen Tricks der Privatisierer aufzudecken und zu verhindern.

DIETER SCHWARZ, Schwerin

Bilanz eines Autolebens

■ betr.: „Im Schnitt Spritschlucker“, taz vom 26. 6. 13

Die Augenwischerei mit dem CO2-Grenzwert wird auf beiden Seiten betrieben. Die Autoindustrie möchte am Prinzip „Höher, schneller, weiter“ festhalten, die Umweltverbände reduzieren das Problem auf die CO2-Emission pro Kilometer.

Wenn hier eine wirksame Reduzierung der Treibhausgase gewollt wäre, müsste man die gesamte Bilanz eines Autolebens heranziehen. Herstellung, Nutzung, Kilometerleistung, Personenkilometer und Entsorgung müssen hier berücksichtigt werden. Ein Auto für eine Großfamilie wird diesen Wert wohl so schnell nicht erreichen. Und bei den E-Autos ist die Frage, wie viel CO2 bei Herstellung und Entsorgung anfällt. Was nützt der beste Grenzwert, wenn dann unter dem Deckmantel der grünen Mobilität doch wieder jede Fahrt zum Briefkasten mit dem Auto gemacht wird? Hier muss und wird sich das Nutzungsverhalten der Menschen ändern, denn nur weniger gefahrene Kilometer mit dem Auto bedeuten auch weniger Klimagase in der Luft. STEPHAN KLÖCKNER, Hamburg

Wo ist der Witz?

■ betr.: „Gurke des Tages“, taz vom 26. 6. 13

So einen geschmacklosen Müll will ich in meiner Zeitung nicht lesen, das entwertet zudem alles andere. Das ist nicht einmal mehr der Stil von pubertierenden Oberschülern, die ich manchmal – auch an anderer Stelle – am Schreiben wähne.

Ja, ja, ich weiß, der Rummel um John F. Kennedy, Pressefreiheit, Satire darf alles, die Wahrheitseite ohnehin – heute interessiert mich alles nicht. So einen Witz (wo ist der Witz?) macht man nicht, egal um welche brutal ermordeten Menschen es geht, das geht gar nicht!

GERRIT REITMEYER, Schwante-Oberkrämer