Die Bullshit-Personalie

SPD Brandenburgs Ministerpräsident hatte einen Schlaganfall. Wer könnte Matthias Platzeck folgen? Die „Bild“-Zeitung hat da schon eine Idee

„lch habe noch einen leichten Linksdrall, sonst ist alles gut“

MATTHIAS PLATZECK

VON ANJA MAIER

BERLIN taz | Thomas Oppermann muss keine Sekunde nachdenken. „Bullshit!“, antwortet der parlamentarische Geschäftsführer der SPD im Bundestag auf die Frage, ob sein Fraktionschef Brandenburgs nächster Ministerpräsident wird. Auch Frank-Walter Steinmeiers Sprecher sagt der taz dazu: „Das ist Unsinn.“ Die Bild-Zeitung hatte am Mittwoch spekuliert, Steinmeier könnte Nachfolger des erkrankten Matthias Platzeck werden.

Die Grundlage dieser Mutmaßung ist denkbar dünn. Außer dass Frank-Walter Steinmeiers Wahlkreis in Brandenburg liegt und der 57-Jährige dort einen Wohnsitz hat, war von ihm als Aspirant auf die Landesvaterschaft bislang nichts zu vernehmen. Und einen Landesvater, einen, der jedes Windrad kennt – so einen wollen die Brandenburgerinnen und Brandenburger.

Seit exakt elf Jahren heißt dieser Landesvater Matthias Platzeck (siehe Portrait Seite 2). Aber der ist nun besorgniserregend krank. Am Montag letzter Woche war der 59-Jährige in eine Potsdamer Klinik eingeliefert worden, offiziell wegen Kreislaufproblemen. Erst am Freitag wurde er wieder entlassen. Spekulationen, dass dies ein für einmaliges Umkippen recht langer Krankenhausaufenthalt sei, wurden am Dienstag bestätigt. In einem Interview mit der Märkischen Allgemeinen Zeitung sagte Matthias Platzeck, er habe „einen leichten Schlaganfall“ erlitten. Dadurch seien sein Geh- und Sehvermögen eingeschränkt. Er habe „noch einen leichten Linksdrall, sonst ist alles ganz gut“.

An diesem Donnerstag will Platzeck in die Potsdamer Staatskanzlei zurückkehren und noch zwei Tage lang den Regierungsgeschäften nachgehen. Am Wochenende beginnt sein dreiwöchiger Sommerurlaub. Dass diese Auszeit eine Reha-Kur sein wird, darf gemutmaßt werden. Denn zwar war Platzecks Schlaganfall ein leichter, er muss aber als ernsthaftes Warnsignal begriffen werden, dass der Patient gefährdet ist, einen schwereren Anfall zu erleiden und bleibende Schäden davonzutragen. Hält sich der Ministerpräsident für so unentbehrlich, dass er nicht mal zwei Tage eher in die Auszeit verschwinden kann?

Ein Grund für Platzecks preußische Disziplin dürfte sein, dass es in der Brandenburger SPD schlicht keinen Plan B gibt. Platzecks einstiger designierter Nachfolger, Innenminister Rainer Speer, musste sich 2010 aus der Landespolitik zurückziehen. Der 53-Jährige war über eine Unterhaltsaffäre gestrauchelt. Ein anderer Aspirant auf den MP-Posten, Sozialminister Günter Baaske, gilt als netter Kerl, aber auch als landespolitisches Leichtgewicht. Auffällig ist, dass in Brandenburg noch nie laut über eine Frau für das Amt nachgedacht wurde.

Nun richten sich die Augen auf Dietmar Woidke. Der 51-Jährige gehört seit 1994 dem Potsdamer Landtag an. Unter Rot-Schwarz fungierte er als Agrar- und Umweltminister. Als Platzeck 2009 Chef einer rot-roten Koalition wurde, sollte Woidke als einfacher Abgeordneter in den Landtag zurückkehren. Seine Fraktion aber setzte ihn als ihren Chef durch. Als Rainer Speer sein Innenministeramt räumen musste, übernahm der loyale Woidke dessen Haus. Gleichwohl ist der Lausitzer kaum einem Brandenburger bekannt. Das wäre wohl eher Steinmeier. Aber, dementiert Platzecks Sprecher derlei Gerüchte: „Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich eindeutig geäußert.“ Bullshit also – jedenfalls bis zur Bundestagswahl.

Porträt SEITE 2