Gott sei bei uns!

Mit der Idee, den Kirchentag 2009 platzen zu lassen, erntet Bremens CDU-Innensenator sozialdemokratischen Zorn und Beistand von der Opposition – aber keine Schelte von ganz oben

Purzelbaumschlagen und Kollektivbeten gelten in Bremenals Investition

von Benno Schirrmeister

Die Aufregung dürfte kalkuliert gewesen sein. Schließlich reagiert bei Gottesfragen immer jemand gereizt. Ein Bischof, oder in Ermangelung dessen ein heimlicher Bischof. In Bremen heißt der Louis Ferdinand von Zobeltitz, ist Schriftleiter der Evangelischen Ortskirche und schäumte gestern, dass er den „kurzsichtigen Vorschlag von Senator Röwekamp entschieden“ zurückweise. CDU-Politiker Thomas Röwekamp ist Vize-Bürgermeister und fürs Ressort Inneres zuständig. Im Radio-Bremen-TV hatte er vorgeschlagen, 2011 aufs Deutsche Turnfest an der Weser zu verzichten und 2009 auf den 32. Deutschen Evangelischen Kirchentag.

Das ist, muss man wissen, eine ziemliche Gemeinheit: Schließlich war es der engagierte Christ und damalige Senatspräsident Henning Scherf (SPD), der 2004 mit dem Kirchentags-Plan aufgekreuzt war. Und der ihn dann durch die Gremien gepeitscht hat – „in Gutsherrenart“, erinnert sich Karoline Linnert, die Chefin der Grünen-Fraktion, „in umfangreichen Beratungen“, heißt’s aus der Senatskanzlei. 100 Tage nach Abdankung daran zu kratzen ist eine Art posthume Majestätsbeleidigung, auf die Scherf wenig leutselig reagierte: „Dazu kein Kommentar“, sprach’s. Und klang verschnupft.

Kein Kirchentag käme den extrem verschuldeten Kleinstaat tatsächlich billiger: Etwa 7,5 Millionen Euro könne Bremen sparen, stellte Röwekamp in Aussicht, ähnliches gilt fürs Turnfest. Für beide sind, im Vorgriff auf dereinst kommende Legislaturperioden, Mittel bewilligt worden. Das geht, weil Purzelbaumschlagen und Kollektivbeten nach Bremer Begriffen als Investition gelten. Auch Zobeltitz hat die verinnerlicht: „Hier investieren Stadt und Kirche in die ethische, politische und religiöse Orientierung der jungen Generation.“ Gastronomie und Handel würden profitieren. Und überhaupt sei der Kirchentag „ein bedeutender Standortfaktor“.

Während sich darüber streiten ließe, ob ein explizit säkularer Stadtstaat Geld in religiöse Orientierungen zu stecken hat, liegen für die Frage Standortfaktor Erfahrungsberichte und Berechnungen vor. Zunächst die Erfahrung: „Für Hannover“, so ein Sprecher der niedersächsischen Landeshauptstadt, „hat sich das gelohnt.“ Herzlich und begeisternd sei die Atmosphäre gewesen. Bezahlt hat die Stadt dafür 2,3, das Land 3,1 Millionen Euro – zusammen 2,1 Millionen weniger, als Bremen ausgeben will.

Was die Kalkulation angeht, liegt ein Gutachten des BAW-Instituts vor. Die Experten konnten zwar 2004 noch nicht ahnen, dass im nahe gelegenen Osnabrück 2008 mit dem Katholikentag ein ähnliches Event steigt, weshalb man die Besucherzahlen-Prognose nach unten korrigieren müsste. Aber das Ergebnis fällt auch so schlecht genug aus: 2,1 Millionen Euro Steuereffekte seien zu erwarten. „Dies“, so der messerscharfe Schluss, „kann die eingesetzten Finanzmittel in Höhe von 7,5 Millionen Euro nicht aufwiegen.“ Schön wird die Rechnung erst, wenn man die fiktive Werbewirkung einbezieht.

„Das war nicht gegen den Kirchentag gerichtet“, befand sich gestern ein Sprecher des Innensenators in leichter Rückwärtsbewegung. Strategisch aber war’s ein Coup, der für Unruhe im politischen Biotop gesorgt hat. Denn der Kirchentag war, als Plan des Ex-Bürgermeisters, von der SPD als ureigenstes sozialdemokratisches Projekt adoptiert worden und das Turnfest sowieso. Beide stehen aber windschief zur Linie des Neuen: Senatspräsident Jens Böhrnsen (SPD) will vorm Verfassungsgericht auf Hilfe zur Entschuldung klagen. Um da glaubwürdig zu wirken, plant er, das Investitionsvolumen abzusenken – um 30 Millionen Euro für 2005/06, bis ‘09 dann um jährlich weitere 10 Millionen. Bis Hamburger Niveau erreicht ist. Dort gibt man nämlich pro Kopf nur halb so viel aus wie an der Weser.

Die Folge: Während in der SPD-Fraktion Unmut über die Kirchentags-Gedanken des christdemokratischen Zweitbürgermeisters laut wird, erhält der Unterstützung ausgerechnet von Oppositionsführerin Linnert: Man müsse „alle Einsparmöglichkeiten prüfen – tabulos“. Keine Schelte auch von ganz oben: Es gebe zwar, drechselte der Sprecher des ehemaligen und des aktuellen Bürgermeisters, eine alte Zusage an die Kirchentags-Organisatoren, aber eben auch neuerdings die Absicht, weniger auszugeben. Heißt für den Kirchentag? „Die Würfel sind noch nicht gefallen“, antwortet er – mit einer Wendung aus vorchristlicher Zeit.