Die Null, die kommt

Biathlet Sven Fischer gewinnt Olympiagold über die 10-Kilometer-Distanz und lässt die Norweger hinter sich

SAN SICARIO taz ■ Die Minute im Schnee war für Sven Fischer die Ruhe vor dem Sturm, der einen Olympiasieger gewöhnlich erwartet. Er fiel zu Boden, nachdem er die Ziellinie im Biathlon-Stadion von San Sicario überquert und er die Goldmedaille fast sicher hatte. Die Konkurrenz im 10-Kilometer-Sprint war entweder schon im Ziel oder lag chancenlos zurück. „Diese Zeit habe ich für mich genutzt, da konnte ich überlegen. Mir ist so viel durch den Kopf gegangen.“ Die ganze Karriere hat er im Zeitraffer durchlebt. Seine erste Medaille bei den Olympischen Spielen 1994 in Lillehammer zum Beispiel und all „die guten und schlechten Tage“.

Anschließend warteten die Gratulanten: ein paar Kollegen und die Eltern Helga und Willi. Sven Fischer hat die Erfolgsgeschichte der deutschen Biathleten bei diesen Winterspielen fortgeschrieben. Im zweiten Wettbewerb gab es das zweite Gold, nachdem sie zuvor 14 Jahre lang ohne Einzeltitel bei Olympia geblieben waren. Der letzte Sieger hieß Mark Kirchner und ist heute Heimtrainer von Fischer in Oberhof. Der Gold-Junge vom Einzelrennen am Samstag, Michael Greis, verabschiedete sich schon beim ersten Schießen, als er sich zwei Fehler leistete, aus dem Kreis der Medaillenkandidaten. Beim Stehendanschlag verpasste er noch einmal eine Scheibe und landete am Ende nur auf dem 35. Rang. „Die Null muss kommen, sonst hast du null Chancen auf den Sieg“, sagt Cheftrainer Frank Ullrich, der das ganze Rennen über ganz fest einen Glückspfennig in seiner Hand drückte. Fischer blieb ohne Makel am Schießstand, genauso wie Ricco Groß, der dann aber in der Loipe zu langsam war und am Ende Siebter wurde, als zweitbester Deutscher. Für den Ruhpoldinger ist es eine gute Ausgangspostion für das Verfolgungsrennen am Samstag, bei dem er zu den Favoriten zählt. „Der Michi hat am Samstag das Rennen seines Lebens gemacht, der Sven heute. Und ich bin jetzt halt am Samstag gefordert.“

Fischer, der in der Höhe oft mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat und dann manchmal nicht die gewohnte Leistung zeigen kann, ist im 1.600 Meter hoch gelegenen San Sicario tatsächlich eines seiner stärksten Rennen gelaufen. Der 34-Jährige vom WSV Oberhof war 8,2 Sekunden schneller als der ebenfalls am Schießstand fehlerfreie Halvard Hanevold, der eigentlich als besserer Läufer gilt. Dem Norweger blieb nur die Silbermedaille. Sein Teamkollegen Frode Andersen, der mit einem Schießfehler Bronze holte, fand dann sogar: „Das war läuferisch der stärkste Wettbewerb, den ich jemals erlebt habe.“

ELISABETH SCHLAMMERL