Die kleine Wortkunde

„Die Macht des Wortes“ wird oft gerühmt – als wenn es mit einem Wort getan wäre! Erst in abnormer Mehrzahl gewinnen Wörter eine geradezu erdrückende Macht, wie in dieser Woche die Demokratin Wendy Davis bewies, welche das gesetzliche Verbot der Abtreibung in Texas mit einer fast elfstündigen Rede verhinderte. Ein solcher FILIBUSTER wird dank fehlender Redezeitbeschränkung von beiden amerikanischen Parteien gern angewandt, um Abstimmungen so lange hinauszuzögern, bis das Gesetz des Gegners nicht zustande kommt.

Den längsten Filibuster hielt 1957 Strom Thurmond, der damit verhindern wollte, dass das Wahlrecht für Afroamerikaner erleichtert werde; in seiner 24 Stunden und 18 Minuten langen Rede referierte er unter anderem über Kuchenrezepte.

Filibuster geht auf das spanische „filibustero“ zurück, das von französischen „flibustier“ abstammt – beide waren Bezeichnungen für karibische Piraten, die von 1680 bis 1800 zwischen Kuba und Nicaragua ihr Unwesen trieben. Wurzel dürfte das niederländische „vrijbuiter“ (Freibeuter) sein.

Die USA brauchen keine Piratenpartei, in den Parlamenten wird auch so genug Redezeit gekapert. Dass dies ein Armutszeugnis für den Parlamentarismus ist, geht im Wortschwall einfach unter: Um den Inhalt der Rede kümmert sich niemand, denn sie soll nicht überzeugen, sondern nur destruktiv sein. Für alle Beteiligten wäre es von Vorteil, wenn die Rederäuber sich auf ihre Vorfahren besinnen, die Klappe halten und Gesetze per Säbelkampf entscheiden würden – das ginge schneller. Erik WENK