Virtuose Altmeister

KONZERT So nah war uns Amerika selten: Calexico sind vor allem in Europa erfolgreich. Weil sie für ein besseres Amerika stehen oder weil sie so virtuos Sehnsuchtsorte malen?

Auf ihren Interimswerken ist zu hören, was seit jeher bei Calexico mitschwingt, Punk als Haltung

VON ANDREAS SCHNELL

Dass es immer wieder um Topografien geht, wenn die Rede von Calexico geht, ist natürlich kein Wunder und, um im Bild zu bleiben, ein alter Cowboyhut. Sie tragen ja schon im Namen den Ort als Programm vor sich her. Und es geht auch in ihrer Musik, in ihren Texten immer wieder um Geografie, um Grenzen, um Übergänge, das Dazwischen.

Das letzte Album von Calexico heißt „Algiers“ und handelt doch nicht von der Sahara. Dieses Algiers ist ein Stadtteil von New Orleans, einem immerhin zeit- und teilweise versunkenen Ort, der durchaus andere Töne impliziert, als wir sie von Calexico kennen: Jazz, Cajun, Zydeco, Mardi Gras. Und tatsächlich lebt Schlagzeuger John Convertino seine Jazz-Neigung stärker aus als zuvor, durchziehen auch latinische Klänge die Songs, weitgehend bleibt Algiers hier indes ein gewissermaßen utopischer Ort, vielleicht auch eine Leerstelle. Das ändert natürlich nichts daran, dass Joey Burns und John Convertino, der personelle Kern von Calexico, ihre Sujets derweil mit geradezu altmeisterlicher Virtuosität behandeln, was ihnen schon das nicht nur lobend gemeinte Etikett „Autoren-Pop“ eintrug.

Allerdings sollten wir die beiden Herren nicht unterschätzen. Zwar lassen sich ihre letzten Alben nur bei genauerer Betrachtung unterscheiden, auch wenn immer wieder lange Jahre zwischen den Veröffentlichungen liegen. Sechs Alben in rund 20 Jahren – das klingt nicht sehr produktiv. Aber das täuscht. Auf ihren Hauptwerken erweisen sich Burns und Convertino eher als kluge und sorgfältige Wahrer, wenn nicht Verwalter ihres Konzepts. Dass sie nicht einfach immer wieder ein paar Jahre Pause machen, was wir ihnen selbstverständlich von Herzen gönnten, lässt sich an zahlreichen kleineren Veröffentlichungen ablesen, auf denen sie ihre Musik behutsam weiterentwickeln, was sie dann immer wieder auf kleineren Formaten dokumentieren, die zum Teil nur auf ihren Konzerten verkauft werden. Hier ist zu beobachten, wie Songs entstehen, sich verändern, ausfransen. Gerade erschien die EP „Maybe On Monday“, die zwei Versionen des gleichnamigen Songs vom letzten Album enthält, einmal im noch vergleichsweise rohen Demo-Stadium, einmal in einer Version, die entstand, nachdem der Song für die Bühnenfassung einstudiert wurde, nachdem er schon für das Album „Algiers“ produziert worden war. Und weil’s grad so schön war, nahmen Calexico dann gleich noch ein paar Lieblingslieder auf, was besagte EP natürlich für Fans unverzichtbar macht.

Gerade auf diesen Interimswerken ist übrigens zu hören, was seit jeher bei Calexico mitschwingt, Punk als Haltung, materialisiert in Cover-Versionen von Minutemen-Songs zum Beispiel, jener legendären Hardcore-Band, deren Platten auf dem nicht minder legendären Label SST Records erschienen, wo Joey Burns Ende der Neunzigerjahre für eine Weile arbeitete, bevor er Convertino bei Giant Sand traf.

Auch auf ihrer neuen EP zollen sie alten Helden Tribut: „Unsatisfied“ ist ein Song der Minneapolis-Punk-Legende The Replacements, „Shabby Doll“ stammt von Elvis Costello und „Walls Came Down“ von der New-Wave-Band The Call, allesamt natürlich liebevoll angeeignet, klassisch Calexico, sozusagen. Und dann sind Burns und Convertino auch immer noch und immer wieder als Produzenten und Begleiter anderer Künstler unterwegs. So waren sie an verschiedenen Alben der großartigen Neo-Country-Diva Neko Case beteiligt, die Calexico übrigens mittlerweile erfolgsmäßig überflügelt wie es jene einst mit Giant Sand taten. Aber das ist eine andere Geschichte.

■ Montag, 20 Uhr, Schlachthof