Wilheminischer Kostüm-Kitsch

BREMEN Vor dem Rathaus, immerhin einem Weltkulturerbe, hocken schreckliche Reiter auf noch schrecklicheren Pferden. Dabei waren sie schon mal weg

Denkmäler wird man schwierig wieder los. Besonders ärgerlich ist das dann, wenn sie eigentlich schon weg waren. So wie die Bremer „Herolde“: zwei Reiter in bestem wilhelminischem Kostüm-Kitsch, die zwischen 1904 und 1942 schon mal vor der gotischen Ostfassade des Rathauses standen – mit der sie stilistisch und historisch nicht das Geringste zu tun haben. Seit 2003 stehen sie wieder dort – und recken ihre albernen Hellebarden.

Schuld daran ist ein Programm, mit dem Bremen mal Maßstäbe setzte: Ein bundesweit beachtetes Landesgesetz legte fest, dass zwei Prozent aller öffentlichen Baugelder für Kunst auszugeben seien. Mittlerweile hat Bremen zwar finanziellen Abstand von seiner Pioniertat genommen, fühlte sich aber bemüßigt, mit einem Denkmal-Verrückungsprogramm an sie anzuknüpfen. Die Idee: Befristet wechseln Statuen & Co ihre Standplätze, um wieder neu wahrgenommen zu werden.

Ein netter Plan. Nur: Die „Herolde“ hätte man lieber auf dem Gelände des Nobel-Altenheims stehen lassen sollen, wo sie seit 1942 wohnten. Denn kaum standen sie vor dem Rathaus, bildete sich eine Bürgerinitiative, deren Sprecher Zwirbelbart à la Willem Zwo trägt – und erfolgreich für den Verbleib trommelte.

Dann griff die Stadtreinigung ein: Ein Räumfahrzeug erfasste das rechte Ross am Maul und riss es zu Boden. Pure Dösigkeit oder kunsthistorisch korrekter Eingriff? Letzteres, sagen sämtliche Fachleute – aber nur hinter vorgehaltener Hand. Zu populär sind die Reiter geworden, zu sehr ist die Lust an neo-feudalistischem Zierrat auf dem Vormarsch. Die Stadt zahlte die Wiederaufstellung – und dem Altenheim 50.000 Euro als Kompensation. Historismus geht vor Haushaltsnotlage.  HENNING BLEYL