Eine Frage von Charakter und Konstitution

PLATZECK VERSUS WOWEREIT

Ironisch der eine, demütig der andere

Als am 8. Mai 2012 überraschend die Eröffnung des Flughafens BER abgesagt wurde, konnte das staunende Publikum auch zwei Politikertypen beobachten: Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit witzelte auf der Pressekonferenz: „Am besten wär’s, wenn man gleich irgendjemanden hängen würde oder so.“ Matthias Platzeck, Ministerpräsident in Brandenburg, gab sich dagegen zerknirscht. „Ich verhehle nicht, dass ich stinksauer bin.“ Ironisch und sarkastisch der eine, ernsthaft und auch demütig der andere.

Spätestens seitdem Matthias Platzeck Anfang der Woche bekannt gegeben hat, er habe einen leichten Schlaganfall erlitten, steht auch das Thema Politik, Charakter und Konstitution wieder auf der Tagesordnung. Platzeck selbst hat es einst aufgebracht, als er nach zwei Hörstürzen und einem Nerven- und Kreislaufzusammenbruch 2006 das Amt des SPD-Bundesvorsitzenden an den Nagel hängte. Sind sensible Politiker und Politikerinnen anfälliger für die Zumutungen des Jobs, während Typen wie Wowereit und Merkel alles an ihrem Panzer abprallen lassen? Geht den einen das Schicksal der Menschen zu sehr ans Herz, während sich die anderen insgeheim schon mal über sie lustig machen?

Wer Matthias Platzeck bei öffentlichen Auftritten oder im Wahlkampf erlebt, weiß, dass er ein Überzeugungstäter ist. Einer, der etwas bewegen will. Einer, der auch zuhören kann. Die Kritik der ehemaligen Brandenburger Kultusministerin Johanna Wanka, er habe mit dem Koalitionswechsel von der CDU zur Linken 2009 die friedliche Revolution verraten, ist ihm nahegegangen. Als Klaus Wowereit 2001 das Gleiche tat, zuckte er mit den Schultern – und organisierte eine innerparteiliche Mehrheit für den Kurswechsel.

Können Sensible Politik? Ja, wenn der Wähler Glaubwürdigkeit honoriert. Das gilt auch für Gehandicapte wie die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer.

Ohne Härte in Machtkämpfen aber werden auch die Überzeugungstäter keinen Erfolg haben. Als Landesvater mögen Platzeck auch nach seinem Schlaganfall die Sympathien zufliegen. Seine politische Bilanz wird aber auch daran gemessen, ob er als BER-Aufsichtsratschef einem Rammbock wie Hartmut Mehdorn die Stirn bieten kann.

Es wäre ihm zu wünschen. UWE RADA