Fatale Allianz

„Der Tramp und der Diktator“: Doku im im Metropolis über Chaplin und Hitler leuchtet Überschneidungen aus

Zu Beginn des Films Der Tramp und der Diktator von 2001, der jetzt im Rahmen einer Charlie-Chaplin-Retrospektive im Metropolis gezeigt wird, steht eine Mischung aus Unverständnis und negativer Neugier. Da ist ein Januskopf im Vorspann: links die Gesichtshälfte eines schnurrbärtigen Tramp alias Charlie Chaplin, rechts die von Adolf Hitler. Es ist das Bild einer Gesicht gewordenen Allianz, die zu falschen Gleichsetzungen Anlass geben kann.

Mag sein, dass beide, wie es in dem 2001 entstandenen Dokumentarfilm von Kevin Brownlow und Michael Kloft heißt, „eine harte Kindheit“ hinter sich hatten. Mag sein auch, dass beide – es bedarf offenbar einer ganzen Reihe sich wiederholender Worte, um Parallelitäten zu begründen – „in der gleichen Woche des gleichen Monats des gleichen Jahres“ geboren waren. Aber dass „beide, Chaplin und Hitler, Künstler wurden“, wie es im zugehörigen Programmheft heißt, muss entschieden bestritten werden. Denn eine abgelehnte Bewerbung an einer Kunstakademie und der Entwurf eines Schriftzugs für die Fassade eines Behelfskinos für Soldaten im Ersten Weltkrieg machen aus einem Aspiranten noch lange keinen Künstler. Vielmehr wirkt hier eine Art von Legendenbildung fort, die so gern die Genese des deutschen Faschismus auf das vermeintliche Schicksal eines einzigen Individuums zurückführt.

Wie anders – so ist seit 60 Jahren immer wieder zu hören – wäre es um die Welt bestellt gewesen, hätte seinerzeit die Wiener Akademie den Kandidaten Hitler nicht abgelehnt ... Hinzu gesellt sich eine filmgeschichtlich unkorrekte Information. The Great Dictator,, Chaplins kritische Nazi-Travestie aus dem Jahre 1940, ist keinesfalls, wie in der Ankündigung des Metropolis-Kinos zu lesen, Chaplins erster Tonfilm gewesen.

Was also ist nach diesen Präliminarien von Der Tramp und der Diktator noch zu erwarten? Zunächst ein Film nach amerikanischem Muster zahlreicher Dokumentarstreifen, der weniger die ruhige Handschrift von Michael Kloft trüge, als dass er kurze Interviewstatements an Filmzitate und diese wiederum in rascher Folge an Fotos und Ausschnitte aus Wochenschauaufnahmen reihte. Da gehen Aussagen wie die von Budd Schulberg, der seinerzeit für die Nürnberger Prozesse zahlreiche Filmarchivlisten durchforstete, fast unter, wenn dieser berichtet, Hitler habe sich Chaplins The Great Dictator gleich zweimal zur privaten Sichtung bestellt. Und die Erzählung eines jugoslawischen Vorführers, der 1942 im besetzten Belgrad eine Rolle aus dem „Diktator“ in den Projektor gelegt hatte, bis ein deutscher Soldat auf die Leinwand geschossen hat, ist einzigartig. Überzeugend auch die produktive Ungleichheit demagogischer Rede: Deklamieren ist nicht Artikulieren. Und am Ende, wenn aus dem Bild der in Trümmern liegenden Reichskanzlei einzig ein riesiger Drehglobus herausragt, erinnert man, wie vergleichsweise schadlos Chaplins „Great Dictator“ der Erdballon zerplatzt war.

Hendrik Feindt

17.2., 17 Uhr, 22.2., 19.30 Uhr sowie 24.2., 19 Uhr, Metropolis