Europa bekommt Angst vor Kongo

Pläne zur EU-Truppenentsendung für die Wahlen im Kongo werden zurückgeschraubt. Entscheidung in Brüssel frühestens Ende des Monats. Auch die Wahlen verzögern sich

Diplomaten meinen: Präsident Kabila zieht die Wahlvorbereitung bewusst in die Länge

BRÜSSEL taz ■ Die Pläne für eine EU-Militärintervention in der Demokratischen Republik Kongo zur Absicherung der geplanten freien Wahlen werden nach unten revidiert. Beim Treffen der zuständigen EU-Experten zum Thema in Brüssel am Dienstag zeigten sich Diplomaten eher reserviert. Das EU-Sekretariat legte auf der Basis einer Erkundungsmission, die sich Anfang Februar in Kongos Hauptstadt Kinshasa aufhielt, mehrere Optionen vor, bei denen es um lediglich 250 bis 500 europäische Soldaten in Kinshasa selbst geht und weitere 1.200 bis 1.500 auf Abruf irgendwo in Europa, evtl. beim Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam. Die Option einer Entsendung der kompletten Truppe nach Kongo oder ihrer Stationierung in einem nahe gelegenen afrikanischen Land wie Gabun scheint vom Tisch.

In Kinshasa würde sich die Aufgabe der Eingreiftruppe darauf beschränken, den Flughafen zu sichern, damit die Truppe aus Europa bei Bedarf rasch einfliegen kann. Diplomaten vermuten dahinter, dass die EU-Soldaten vor allem zur Evakuierung weißer Ausländer im Falle von Unruhen dienen sollen. Die Zusammensetzung der Truppe ist offen, nachdem Deutschland und Belgien die Entsendung eigener Kampftruppen abgelehnt haben und Frankreich die Truppe offenbar nicht führen will. Die Debatten sollen am Dienstag nächster Woche weitergehen, damit die EU-Außenminister am 27. Februar einen endgültigen Beschluss fällen können. Wenn das nicht gelingt, müssen sich die EU-Staats- und Regierungschefs im März damit befassen.

Sicher ist, dass der mögliche Kontext einer EU-Intervention im Kongo immer unsicherer wird. Ob die geplanten Wahlen überhaupt vor dem vertragsgemäßen Ablauf der Amtszeit der gegenwärtigen Allparteienregierung im Kongo am 30. Juni stattfinden können, steht in den Sternen. Die feierliche Inkraftsetzung der neuen Verfassung, die im Dezember 2005 per Referendum verabschiedet wurde und auf deren Grundlage die Wahlen stattfinden sollen, ist von Präsident Joseph Kabila auf kommenden Samstag gelegt worden – aber schon zweimal hat er sie angekündigt und ohne Begründung verschoben. Weil alle auf den Präsidenten warten, kann auch das Parlament nicht die Wahlgesetze verabschieden, und auch die muss dann Kabila erst unterzeichnen. Und erst dann kann die Wahlkommission Wahltermine festlegen und können Kongos Parteien Kandidaten aufstellen. Weil jeder Kandidat mit Name und Farbfoto auf den Wahlzetteln stehen soll, dürften die Wahlzettel die Größe von Weltkarten haben, und niemand außer einigen sehr alten Leuten hat je im Kongo an einer Mehrparteienwahl teilgenommen.

Diplomaten gehen davon aus, dass Präsident Kabila die Wahlvorbereitung bewusst in die Länge zieht, damit er sich nicht vor dem 30. Juni einer möglichen Stichwahl stellen muss – vor der nämlich ist eine Fernsehdebatte zwischen den Spitzenkandidaten vorgesehen, und der publikumsscheue Kabila hat sich noch nie einer öffentlichen Debatte mit einem politischen Gegner gestellt. Präsidentenberater Kudura Kasongo erklärt, er werde alles tun, damit Kabila schon den ersten Wahlgang mit 80 Prozent gewinnt. Dies lässt Manipulations- oder Einschüchterungsversuche erwarten.

Folgendes Szenario kursiert unter Beobachtern: Der erste Wahlgang der Präsidentschaftswahl findet kurz vor dem 30. Juni statt, Kabila gewinnt irgendwie die absolute Mehrheit und ist dann der einzige legitimierte politische Akteur, wenn am 30. Juni das Übergangsparlament und andere Institutionen obsolet werden – die anderen Wahlen würden ja erst später stattfinden. Eine solche Monopolisierung der Macht durch Kabila würde vermutlich auf bewaffneten Widerstand anderer Kräfte stoßen. FRANÇOIS MISSER