Grüne ringen um die Hausfrau am Herd

Sich von konservativer Familienpolitik abzusetzen ist für die Oppositionspartei gar nicht so leicht

BERLIN taz ■ Die Zeiten sind schwer für grüne FamilienpolitikerInnen. Sie müssen den Status als HauptverfechterInnen der Frauenbelange bewahren – während die Konkurrenz fast täglich mit einer neuen Idee zur Familienförderung aufwartet.

Nun setzen sie auf das Prinzip der gemäßigten Provokation. „Die Ausrichtung des Sozialstaats am Leitbild der Alleinverdienerehe“ sei „gescheitert“, heißt es in der Vorlage, die die Grünen im März in den Bundestag einbringen wollen. Ursprünglich war das Papier noch schärfer formuliert: Es erklärte das „Konzept der Alleinverdienerehe“ für gescheitert. Diese Aussage aber – die Millionen Paaren das Misslingen ihrer Lebensform attestiert – wollten ParteikollegInnen nicht mittragen.

Die Debatte lässt erahnen, wie stark die Grünen um ein Profil ringen. Sie wollen gezielt das Modell „Beide verdienen“ fördern. Doch wie erklärt man das Ernährer-Hausfrau-Modell für überholt, ohne die Menschen zu verprellen, die genau dies leben?

Ekin Deligöz, familienpolitische Sprecherin der Grünen, bemühte sich gestern zu beschwichtigen: „Wir wollen Menschen nicht in ihrer Wahlfreiheit beschränken.“ Vizefraktionsvorsitzende Krista Sager hält zu viel Neutralität für unangebracht: „Politik war nie unparteiisch. Sie hat durch einseitige Prioritätensetzung verhindert, dass Familie und Beruf vereinbar sind.“ Jetzt stelle man fest, dass für die frühkindliche Förderung die Infrastruktur fehle. Das Elterngeld etwa sei im Prinzip sinnvoll – aber nur, wenn nach dem einen Jahr Babypause auch ein Kita-Angebot zur Verfügung stünde. „Dabei dürfen wir die Kommunen nicht allein lassen, da muss sich auch der Bund engagieren“, sagte Sager der taz. „Dafür muss man das Ehegattensplitting abschmelzen.“

Der Union immerhin reagiert prompt auf das neue grüne Papier. „Mit der bizarren Behauptung, Kinder, die von ihren Eltern betreut werden, wiesen mangelnde Sprachkenntnisse sowie soziale Defizite auf, wollen die Grünen Alleinverdienerfamilien abwerten“, sagte Johannes Singhammer, Familienpolitiker der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Kleiner Schönheitsfehler: So weit geht das grüne Papier gar nicht. „Für viele Kinder hat sich die Förderung des Zuhausebleibens als eher negativ erwiesen“, heißt es dort lediglich – eine pauschale Geringschätzung der Erzieherin Mutter ist das nicht. Der Verdacht liegt nahe, dass die Union die Gunst der Stunde nutzt, um von eigenen Problemen abzulenken: Sie muss eine Politik finden, die karrierebewusste Großstädterinnen anspricht, aber auch jene nicht verärgert, die Anerkennung für ihr Hausfrauendasein einfordern.

Beide Parteien eint also mehr, als die empörten Reaktionen vermuten lassen. Beiden fällt es schwer, sich von der Konkurrenz abzugrenzen. Zum einen, weil keine Partei die empirischen Befunde ignorieren kann, die dank Pisa, Iglu und ähnlicher Studien nicht nur recht eindeutig, sondern auch allgemein bekannt sind. Zum anderen, weil längst in jedem Wählerlager diverse Familienkonzepte gelebt werden. Es geht also um Prioritäten, kaum mehr um Grundsatzfragen.

COSIMA SCHMITT