TAKSIM IST ÜBERALL
: Blöd hoch zwei

Fünf Polizisten knien auf ihm. Mehr Platz ist da auch gar nicht

Das Kottbusser Tor ist gerade der Taksim von Berlin. Na ja, nicht ganz. Nur in Miniatur, und eigentlich nicht mal das. Auf meiner Inspektionsreise ins Kreuzberger Zentrum des türkischen Widerstands ist zunächst alles friedlich. Vor einem türkischen Gemüsehändler haben Türken ein Zelt aufgebaut und sitzen nun auf Bierbänken davor und gucken gemeinsam Live-Aufnahmen vom richtigen Taksim. Nur durch die Reichenberger Straße voneinander getrennt, lungern die „Drogis“ und „Alkis“ herum.

Ein junger Mann mit langen schwarzen Haaren und schwarzer Cordjacke sitzt mit einer Flasche Bier auf der Telefonzelle und guckt auf die Polizisten, die unten stehen und sagen, dass er runterkommen soll. Ein Kumpel, der noch bedröhnter ist als er, gibt ihm eine wacklige Hilfestellung beim Klettern. Der Mann wird zum Mannschaftswagen der Polizei abgeführt. Der Kumpel lallt: „Wat seid ihr denn für Vollpfosten? Oder wat?“ Die zwei angesprochenen Polizisten sind not amused, nehmen ihn in die Mitte und schleifen ihn weg, denn der Volltrunkene zeigt sich nicht sehr kooperationsbereit.

Alkoholikerkollegen beobachten die Szene ebenfalls. „Blöd hoch zwei!“, sagt einer. Ein anderer: „Blöder geht ja wohl nicht mehr.“ Am Einsatzwagen werden dem Volltrunkenen die Arme auf den Rücken gedreht, um ihm Handschellen anzulegen. Er ist nicht ganz einverstanden und wird plötzlich zu Boden gezerrt. Dann setzen beziehungsweise knien sich fünf Polizisten auf ihn. Mehr Platz ist da auch gar nicht. Ein paar Türken kommen: „Hey, was macht ihr da?“ Drei Pferdeschwanzpolizistinnen sperren die Szenerie ab. Eine sagt: „Dieser Mann ist krank. Wir müssen ihm helfen.“

Ich denke, da kann ich ja froh sein, dass ich nicht krank bin. Neben mir steht ein junger Türke und sagt: „Das ist Kreuzberg! Jeden Abend das gleiche Theater mit diesen Pennern.“

KLAUS BITTERMANN