PARIS WILL GEHEIMES IRANISCHES ATOMWAFFENPROGRAMM ERKENNEN
: Außenminister im Bärendienst

Bei seinem kürzlichen Besuch in der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem zeigte sich der französische Außenminister Philippe Douste-Blazy überrascht von der Tatsache, das Großbritannien im Zweiten Weltkrieg nicht von der deutschen Wehrmacht besetzt war. Wegen sachlich falscher Aussagen zur politischen Lage in einigen Ländern Südamerikas und der Karibik musste sich der Politiker bereits mehrfach öffentlich korrigieren lassen. Einem derart hochgebildeten Mann nehmen wir natürlich voller Vertrauen die Behauptung ab, das iranische Atomprogramm sei „militärisch und geheim“. Beweise für diese Behauptung hat der französische Außenminister zwar keine anzubieten. Dafür aber eine wirklich überzeugende Begründung: „Die Sache ist sehr einfach, kein ziviles Atomprogramm kann das iranische Atomprogramm erklären.“

Douste-Blazys Äußerungen stehen in klarem Widerspruch zum Erkenntnisstand der Internationalen Atomenergie-Organisation. Die IAEO hat „keinerlei Indizien“ dafür, dass Iran ein Programm zur Entwicklung von Atomwaffen betreibt. Allerdings richtet die IAEO seit 2003 eine Reihe sehr präziser Fragen und Anforderungen an Teheran. Sie stehen im Zusammenhang mit einigen ungeklärten Aktivitäten im Rahmen des iranischen Nuklearprogramms seit 1987 sowie mit drei bereits nachgewiesenen Verstößen gegen den Atomwaffensperrvertrag (NPT).

Indem die Führung in Teheran diese Fragen und Anforderungen der IAEO endlich vollständig beantwortet, könnte sie die historischen Altlasten aus dem Weg schaffen. Zugleich müsste sie durch die Ratifizierung des NPT-Zusatzprotokolls, das sie bis vor kurzem freiwillig umgesetzt hatte, eine verlässliche Grundlage für ein transparentes Atomprogramm schaffen, indem geografisch uneingeschränkte Überraschungsbesuche von IAEO-Inspektoren möglich werden. Den Befürwortern derartiger vertrauensbildender Schritte in Teheran hat der französische Außenminister mit seinen Äußerungen allerdings einen Bärendienst erwiesen. ANDREAS ZUMACH