Sternen- und günstige Konstellationen

SONONAUTIK Unendliche Weiten: Das 20-köpfige Berliner „Andromeda Mega Express Orchestra“ lädt zur rasanten Reise durch Jazz, Neue Musik, Pop und schäbige Dauerwerbesendungsuntermalung

Wenn Glatzel vom Zufall spricht, hört sich das an, als rede er über eine Liebesbeziehung

VON ROBERT MATTHIES

Wenn Daniel Glatzel, 26-jähriger Chef des 20-köpfigen Berliner „Andromeda Mega Express Orchestra“, vom Zufall spricht, hört sich das an, als rede er über eine Liebesbeziehung. Offen und unverbindlich müsse man annehmen, was entstehe, „so wie eine solche Verbindung eben ist“. Nicht zu viel werten und einsortieren. Aber feinfühlig genug rangehen, dann nämlich steht der Reise nichts mehr im Weg: auf in „ungeahnte Gebiete“, zu „neuen Zuständen“, namentlich: zur „Wahrhaftigkeit“.

Ganz praktisch sieht das bisweilen so aus: Der junge Komponist – Sohn einer aus Korea stammenden Opernsängerin, der in Seoul Tenorsaxofon spielen gelernt und seine ersten Auftritte mit koreanischen Jazzmusikern hatte, bevor er in München beim Bariton-Saxofonisten Thomas Zoller und schließlich an der Berliner Hochschule für Musik Hanns-Eisler weitergelernt hat –, schmeißt den gesamten Inhalt seiner Festplatte in die Playlist und drückt: Shuffle. Und dann folgt etwa Bela Bartók auf schäbige Dauerwerbesendungsuntermalung, marokkanische Volksmusik, den Jazz-Trompeter Clifford Brown, Peaches und natürlich Sun Ras Arkestra. Und ab und an passen die Versatzstücke eben einfach zusammen. Ohne dass Glatzel versteht, warum. Aber er nimmt an. Er liebt es, unter Fremdkörpern zu sein.

Damit auf der Bühne ebenfalls alles zusammenpasst, muss der Zufallsfreund aber doch ein wenig entrandomisieren. Der Kapitän des kosmischen Mega-Expresses schreibt nicht nur sämtliche Stücke, spielt Saxofon und Klarinette und dirigiert. Sondern plant auch die Auftritte, etwa gemeinsam mit den Weilheimer Indie-Helden „The Notwist“, für dessen letztes Album „The Devil You + Me“ Glatzel die Streicher arrangiert hat, – und koordiniert dafür 20 MusikerInnen unterschiedlichster Provenienz. Schon die richtige Aufstellung wird da monatelang akribisch ausgetüftelt. Schließlich soll jeder den größtmöglichen Freiraum bekommen, wie beim alten Duke: man hört jeden Einzelnen – und das Kollektiv als Ganzes.

Wenn das beeindruckende Orchester dann aber endlich auf der Bühne steht – was bei knapp zwei Dutzend Beteiligten nicht minder beeindruckender Terminabsprachen bedarf –, und in seinem musikalischen Space-Road-Movie von Baumwoll-Zucker-Nebeln, Milky-Way-Fabeln und radioaktiven Menschen berichtet, wird der gesamte Konzertsaal zur Rakete. Kein Zufall.

■ Fr, 5. 3., 20 Uhr, Jazzclub im Stellwerk, Hannoversche Straße