„Seilschaften? Das können wir auch“

SERIE ZUR BUNDESTAGSWAHL Monika Grütters, Spitzenkandidatin des Berliner CDU-Landesverbands, ist für die steuerliche Gleichstellung der Homo-Ehe, eine Frauenquote und die Mietpreisbremse. Eine Chance auf Schwarz-Grün im Bund sieht sie aber trotzdem nicht

■ 51, von 1995 bis 2005 im Abgeordnetenhaus, seit 2005 im Bundestag. Dort sitzt sie dem Ausschuss für Kultur und Medien vor. Seit 1998 im CDU-Landesvorstand.

INTERVIEW STEFAN ALBERTI

taz: Frau Grütters, 2005 sind Sie Bundestagsabgeordnete geworden, 2009 Vorsitzende im Ausschuss für Kultur und Medien. Kulturstaatsminister Bernd Neumann ist 71 – werden Sie seine Nachfolgerin, sollte er in Rente gehen?

Monika Grütters: Das Fell des Bären wird verteilt, wenn er erlegt ist. Ich jedenfalls bin hier mit großer Begeisterung Ausschussvorsitzende.

Welche Koalition wäre Ihnen denn nach dem 22. September am liebsten?

Das wird der Wähler entscheiden. Wir wollen die bisherige Koalition fortsetzen, aber Angela Merkel hat ja auch Erfahrung mit anderen Koalitionen.

Unbestritten – aber die Frage zielte auf Ihre Präferenz.

Am wichtigsten ist mir die Sacharbeit. Und da bin ich sicher, dass unter Angela Merkel Kultur und Wissenschaft wieder eine herausragende Rolle spielen – die beiden Felder, die ich aus meiner Ausschusstätigkeit gut beurteilen kann. Die CDU wird die Verantwortung dafür nicht aus der Hand geben.

Sie haben ja durchaus intensive Kontakte zu den Grünen. Gehören Sie zu denen, die Angela Merkel sagen: Probier’s doch auch mal mit denen, so schlimm sind die nicht?

Wir haben im Kulturausschuss tatsächlich viel im Konsens und fraktionsübergreifend abgestimmt. Aber momentan sehe ich keine Möglichkeit für Schwarz-Grün auf Bundesebene. Das liegt an den Wahlprogrammen und an den handelnden Personen, zumal die Grünen hartnäckig ihre Verortung bei der SPD propagieren. Auf Landesebene kann das anders sein.

Ist das so? Die Tonlage im Abgeordnetenhaus zwischen CDU und Grünen klingt wenig koalitionsfähig.

Wahr ist, dass wir in einer Koalition mit der SPD sind, und die wollen wir zum Erfolg führen. Wahr ist aber auch, dass einige Grüne gerne die Nähe zur CDU suchen.

Sie sind zum dritten Mal Spitzenkandidatin der Berliner CDU und müssen doch bangen, wieder in den Bundestag zu kommen: Sie haben keine Chance auf ein Direktmandat, und es ist unsicher, ob selbst die Nummer eins der Landesliste ein Mandat bekommt. Diese Situation dürfte bundesweit in der CDU einmalig sein.

Zum einen kämpfen wir in meinem Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf wieder um den Achtungserfolg, den wir 2009 schon errungen haben, nämlich Platz 2 hinter der Linkspartei …

28,3 Prozentpunkte dahinter bei den Erststimmen, um genau zu sein …

… aber vor der SPD. Das war schon eine beachtliche Leistung. Ich glaube, dass man es uns in Marzahn sehr hoch anrechnet, dass die CDU die einzige Partei ist, die dort mit ihrer Spitzenkandidatin antritt.

Bloß hilft Ihnen das nicht in puncto Mandat weiter.

Klar, mit dem Risiko, dass die Landesliste nicht zieht, muss ich leben. Das ist eine Herausforderung, aber es spornt meinen Kampfgeist umso mehr an.

Hatten Sie nicht mal das Angebot, einen sicheren Bundestagswahlkreis im Westfälischen zu übernehmen?

Ja, und meine Heimatstadt Münster wollte mich als Oberbürgermeisterkandidatin. Aber von Berlin wollte und will ich nicht mehr weg.

Innerparteilich haben Sie zuletzt an Zustimmung verloren. Als Spitzenkandidatin wollten Sie nur noch 72 statt über 81 Prozent vier Jahre zuvor, bei der Wiederwahl zur Vize-Landeschefin stimmten sogar nur 69 Prozent für Sie. Wieso?

Natürlich habe ich mir mehr gewünscht. Aber Parteitage sind halt, wie sie sind.

„Die Wirklichkeit ernst zu nehmen hat mit Sozialdemokratisierung nichts zu tun“

In der CDU kann man Sätze hören wie: Die Monika Grütters macht nur ihre abgehobene Kulturpolitik und ist im Landesverband zu wenig präsent.

Diese Wahrnehmung mag ja berechtigt sein – aber offensichtlich nehmen einige Mitglieder nicht wahr, was in den Ost-Wahlkreisen geleistet wird. Ich kämpfe dort mit ganzer Kraft in schwierigstem Terrain um Stimmen für die CDU, damit wir an der Regierung bleiben. Denn es stimmt: Jede Stimme zählt. Und dann hab ich auch noch die Leidenschaft, mich im Feuilleton für die Kultur stark zu machen.

Die Kanzlerin hat die CDU jüngst mit ihrem Vorschlag einer Mietpreisbremse überrascht. Das stieß durchaus auf Kritik – aber in Berlin dürfte es der CDU bei der Wahl im September helfen, weil Mietanstieg und Wohnungsknappheit hier das Topthema bilden.

Wir sind hier mit der CDU Berlin schon viel länger dran an diesem Thema. Es geht ja gar nicht anders, als dass wir uns glaubwürdige Mechanismen überlegen, ohne die Vermieter zu enteignen. In Berlin kommt verschärfend hinzu, dass die Stadt, die vor allem von ihrer Kulturszene lebt, diese aus ihren angestammten Räumen vertreibt. Doch Kultur braucht öffentliche Räume.

Nichtsdestotrotz bleibt es ein Eingriff in Eigentumsrechte. Das bestärkt all diejenigen in ihrer Sichtweise, die schon länger meinen, Angela Merkel mache die CDU immer sozialdemokratischer.

Die Wirklichkeit ernst zu nehmen hat mit Sozialdemokratisierung nichts zu tun. Zu einer vernünftigen Stadtpolitik gehört immer ein Ausgleich zwischen den Interessen der Mieter und Vermieter. Wenn das der Markt allein nicht mehr regelt, dann muss die Politik für sozialen Ausgleich sorgen.

Bei der Homo-Ehe musste das Bundesverfassungsgericht der CDU erklären, was Gleichstellung heißt. Ihr Berliner Fraktionskollege Jan-Marco Luczak hatte sich schon vorher in der Gruppe „Wilde 13“ gegen den ablehnenden Kurs der CDU gewandt. Sie waren nicht in dieser Gruppe.

Aber ich gehörte zu denen, die von Anfang an dafür geworben haben, dass beim Bundesparteitag unser Berliner Landesverband geschlossen zu dem Antrag stand, die steuerliche Gleichberechtigung selbstverständlich umzusetzen. Und deshalb bin ich froh, dass das jetzt gesetzlich auf den Weg gekommen ist.

In Berlin, wo es viele Stimmen aus dem schwul-lesbischen Lager gibt, fällt der CDU diese zögerliche Haltung bei der Bundestagswahl natürlich auf die Butterseite.

Da muss man einer Volkspartei wie der CDU, die in ländlichen Räumen ja viel stärker ist als hier in Berlin, zugestehen, dass es auch andere Meinungen gibt. Mietpreisbremse und Gleichstellung zeigen, dass wir Großstädter in der CDU durchaus Erfolg haben. Aber wir dürfen aus der Großstadtsicht auch nicht alle unsere Erfahrungen einfach auf ganz Deutschland übertragen. Das betrifft genauso das Betreuungsgeld …

wo es gut sein kann, dass in Berlin künftig so mancher seine Kinder, denen das frühkindliche Bildungsangebot in den Kitas sehr gut täte, lieber bei Oma zu Hause lässt und dafür monatlich 100 Euro kassiert, später sogar 150. Was sagen denn Ihre Kollegen in der Unionsfraktion dazu?

Die Kollegen verstehen das schon – aber sie erklären mir dann, dass es sich bei ihnen auf dem Dorf nicht lohnt, für acht Kinder eine Kita zu bauen. Wir müssen da zu einem Angebotsspektrum kommen, das situationsgerecht abgerufen werden kann. Und im Übrigen gibt der Bund Milliarden für den Ausbau der Kitaplätze. Daran könnte sich so manches SPD-regierte Land ein Beispiel nehmen.

Im CDU-Wahlprogramm wird auch die Forderung nach einer Frauenquote stehen: Ab 2020 sollen 30 Prozent der Aufsichtsratsmitglieder Frauen sein. Sie haben Ihren Weg ohne Quote gemacht.

Ich war aber immer für eine Quote. Die Hauptherausforderung ist doch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wo es mit dem Elterngeld schon erste Erfolge gibt. Aber in den Führungsetagen kommt man um eine echte Quotierung nicht herum. Da die Wirtschaft den Frauenanteil in zehn Jahren freiwillig um nicht mehr als einen Prozentpunkt gesteigert hat, ist es richtig, da jetzt ganz klar Vorschriften zu machen.

■ Am 22. September wird der neue Bundestag gewählt. Die taz stellt in den kommenden Wochen Berlins Spitzenkandidaten der im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien vor: jene Politiker, die auf Listenplatz 1 ihrer Partei stehen. Nach Monika Grütters von der CDU folgen Cornelia Otto (Piraten), Gregor Gysi (Linkspartei), Martin Lindner (FDP), Eva Högl (SPD) und Renate Künast (Grüne).

Blöd ist für die CDU, dass sie da etwas fordert, was in ihren eigenen Reihen trotz einer internen Quote nicht Realität ist. In der Abgeordnetenhausfraktion etwa gibt es 34 Männer, aber nur vier Frauen, also nur 10 Prozent. Lässt die Partei sie nicht, oder wollen die CDU-Frauen nicht?

Auf den Kandidatenlisten in den letzten Jahren ist sehr hartnäckig auf dieses Quorum von 30 Prozent geachtet worden.

Bloß kann dieses Quorum heißen: der Erste und der Vierte auf der Liste, aber auch der Dritte und der Sechste. Und im zweiten Fall reicht das dann oft nicht für ein Mandat.

Sicherstellen können Sie es nicht, es entscheidet am Ende das Wahlergebnis. Das ist ja selbst bei mir auf Listenplatz 1 so. Es stimmt aber auch, dass wir uns alle eine größere Beteiligung von Frauen wünschen. Aber das Angebot muss natürlich auch stimmen. Und bei uns sind einfach weniger Frauen in den Leitungsgremien aktiv als woanders.

Vielleicht, weil Ihnen ein Mentorenprogramm wie bei den Grünen fehlt: Die heutige Fraktionschefin Ramona Pop hat vor 14 Jahren, kaum in Berlin, ihre ersten Schritte in der Landespolitik als Mentée ihrer Vor-Vorgängerin Renate Künast gemacht.

Ich habe immer mal wieder als Mentorin in Wissenschaftsstrukturen gearbeitet, in der CDU kenne ich das in der Tat nicht. Aber ich habe als Ortsvorsitzende und stellvertretende Kreisvorsitzende fast ausschließlich Frauen an meine Seite geholt und als Nachfolgerin installiert.

Bei Männern würde man das Seilschaften nennen.

Na und? Das können wir auch, wenn wir das wollen.