Hauptsache, Richard David Precht ist auch dabei

DENKEN LIGHT In Köln fand zum ersten Mal das „philosophische Festival“ phil.Cologne statt

Das neue Kölner Philosophiefestival phil.Cologne soll dazu dienen, die Philosophie stärker in die Mitte der Gesellschaft zu rücken und sie zu popularisieren. Mit Richard David Precht wollte man locken, er war mit seinen populärwissenschaftlichen Grundsätzen gleich in mehreren Veranstaltungen vertreten.

Mehr versprach der Samstagabend. Zur Primetime um 20 Uhr ehrten im WDR-Funkhaus gleich acht Gäste den letzten Philosophen, der die Sinnfrage stellte: „Albert Camus und das Glück des Sisyphus – dem tragischen Helden“. Zum 100. Geburtstag widmeten sie dem algerischen Philosophen eine Revue.

Der pompöse Saal war bis auf den letzten Stuhl belegt, viele Alt-68er, ein paar junge Menschen. Moderator Jürgen Wiebicke verlas einen Brief von Camus’ Tochter Catherine: Sie fühle sich sehr geehrt, dass ihr Vater bei „dem größten Rundfunksender“ eine Revue erhält, die Fotografien, die gezeigt würden, habe sie aus dem Familienalbum gespendet. Der junge Poetry-Slam-Künstler Quichotte beginnt mit der Revue. Er wird den restlichen Abend immer wieder mit seinen Interpretation begleiten, dabei rappt er beispielsweise „Kunst, Geschwafel oder Text, wenn ihr den Sinn erkennt, erfüllt es seinen Zweck“.

Wiebicke lud nach und nach weitere Gäste auf die Bühne. Rupert Neudeck etwa, Gründer der Cap Anamur, hat einen Doktor in Philosophie, wie Moderator Wiebicke lobend erwähnte. Neudeck hatte sogar sein erstes Camus-Exemplar aus dem Jahr 1956 dabei: „Die Pest“. Die wurde spielerisch dargestellt von Schauspieler Martin Reinke und Sprecher Christian Brückner. In dieser Mischung erlebte der Zuschauer einzelne Etappen aus Camus’ Leben, eine Kindheit ohne Fußballschuhe in Algerien, seinen Appell an den Humanismus und vor allem Sisyphus, den Helden des Absurden, den Menschen in der Revolte.

Ob er einer war, diskutierten Lüthe und Reif als Sartre und Camus aus, was dann eher in eine Diffamierung Sartres überging. Wiebicke erwähnte gewollt witzig, dass Camus ein bekannter Sozialdemokrat gewesen sei – wie Müntefering. Als Letzter betritt Philosoph Andreas Sperr die Bühne. Eingeladen, um Camus zu „zertrümmern“, denn er teilte dessen Ansichten des Absurden nicht: „Die Welt, in der ich lebe, ist nicht absurd. Wenn ich zum Bäcker gehe und um ein Brötchen bitte, erhalte ich eins.“

Am folgenden Tag im Stadtgarten sollte alles anders werden: Der Stadtgarten ist weniger pompös – kleine Bühne, rote Lederstühle und Grabkerzen, der Duft von Lilien umgibt den Saal. Dort wollte man den Sinn beerdigen. Der Abend war der Sinnlosigkeit gewidmet. Das Publikum belegte erneut alle Stühle, hauptsächlich Paare. Auf der Bühne las – wieder einmal – Christian Brückner „Siebenkäs“ von Jean Paul.

Im Vergleich zum Vortag konnte Brückner hier die Intensität der Texte eindringlicher darbieten. Als weiterer Gast war die Philosophin Mirjam Schaub für die Fragen des Moderators Florian Werner zuständig. Um den Besuchern den Nihilismus näherzubringen, wurden die drei Nihilisten aus „The Big Lebowski“ diskutiert. Weiter ging es mit „desaströsen, apokalyptischen Ausschnitten“ von dem Rumänen Emil Cioran, einem radikalen Aphoristiker, der einst die Nazis bejubelte.

Tragik ist unerträglich

Eine bedrückende, traurige Schwere legte sich einem auf die Seele, als die Worte „Ich habe nie geweint, weil meine Tränen sich in Gedanken verwandelten“ und „Ich verzeihe mir nicht, geboren zu sein“ den Raum erfüllten. Schaub ergänzte dazu später, dass die Tragik für die meisten Menschen nicht ertragbar ist, das sei ihr bei den Texten aufgefallen, die Leute hätten angefangen zu kichern. Eingeschlafen hingegen waren einige Besucher, als Brückner hervorragend „Silence“ von John Cage wiedergab. Die Textinstallation, die Cage wie ein Musikstück komponiert hatte und die von Ernst Jandl übersetzt wurde, war einer der gelungensten Vorträge an diesem Abend.

Mit seinen insgesamt 8.300 Besuchern ist Festival-Geschäftsführer Rainer Osnowski sehr glücklich: „Wir sind mit dem Ergebnis der ersten Ausgabe der phil.Cologne mehr als zufrieden, sowohl was die inhaltliche Qualität als auch den begeisterten Zuspruch des Publikums angeht! Unsere Erwartungen wurden bei weitem übertroffen.“

DU PHAM