Alles nur Autarkiefolklore?

„Problematische Vergleiche“ und „fragwürdiger Zahlenumgang“: Das Bremer Theater wehrt sich gegen die in seinen Augen parteiische Darstellung des vom Kulturressort in Auftrag gegebenen Gutachtens. Kritische Stimmen auch bei SPD und Grünen

„Die Vorschläge sind keinesfalls neu und einige nicht praktikabel“

Bremen taz ■ Die Pressekonferenz stand unter einem klaren Nenner: Er wolle der „parteiischen Darstellung“ des Gutachtens über das Bremer Theater entgegentreten, sagte Intendant Klaus Pierwoß. Nachdem in der vergangenen Woche entgegen internen Absprachen bereits im Weser-Kurier aus dem ausdrücklich als „Entwurf“ gekennzeichneten Papier des Wirtschaftsprüfungsunternehmens PriceWaterhouseCoopers (PWC) zitiert worden war, wies nun das Theater auf „problematische Vergleiche“ und „fragwürdigen Zahlenumgang der Gutachter“ hin.

Pierwoß verwies vor allem auf die Empfehlung von PWC, den Aufsichtsrat abzuschaffen und an seiner Stelle einen „Beirat ohne gesellschaftliche Kompetenzen“ einzurichten, aus „Vertretern der Bürgerschaft, der senatorischen Dienststellen und der Öffentlichkeit“, die den Kultursenator und die Geschäftsführung des Theaters „beraten“. Ferner sollen Intendanz und Geschäftsführung dazu verpflichtet werden, den „Spielplan so attraktiv zu gestalten, dass die Nachfrage und damit die Auslastung des Theaters… insgesamt steigen“.

Dem hielt Pierwoß entgegen, dass gerade ein mit öffentlichen Mitteln finanziertes Haus „nicht nur ein Wunschkonzert der Publikumsvorstellungen“ abbilden dürfe. „Es muss auch Wiederentdeckungen, ganz neue Stücke und Auftragswerke auf die Bühne bringen.“

Ebenso lehnte er die vorgeschlagene Verlagerung hin zu mehr Projektförderung „vehement“ ab. Es würde eine „Aufgabe der künstlerischen Autonomie“ bedeuten, wenn Externe entschieden, welche künstlerischen Projekte stattfänden.

Der gutachterliche Entwurf geht in der Frage der öffentlichen Subvention allerdings noch weiter: Er empfiehlt die „Aufgabe der institutionellen Förderung und Fehlbedarfsfinanzierung (verstanden als bedingungslose Existenzsicherung)“.

Pierwoß und seine Mitarbeiter stellten neben einigen Grundannahmen des Papiers auch das methodische Vorgehen in Frage: So hätten die Gutachter trotz vielfach vorgetragener Bedenken die Spielzeit 2003/2004 zur Grundlage genommen, in der das Goethetheater saniert wurde und daher kein regulärer Spielbetrieb möglich gewesen sei. Auch der im Gutachten durchaus polemisch formulierte Vorschlag, sich von der „Manufaktur- und Autarkiefolklore“ an deutschen Theatern zu verabschieden und stattdessen stärker Aufträge nach außen zu vergeben, stieß im Theater auf kein positives Echo. „Die Arbeitskosten sind bei uns im einzelnen niedriger als in der freien Wirtschaft“, betonte Matthias Nitsche, der technische Direktor, und verwies darauf, dass die als Beleg herangezogene Untersuchung der Stadt Köln zur Wirtschaftlichkeit der Bühnenwerkstätten zu einem Gegengutachten der Kölner Bühnen geführt habe – das wiederum belegte, dass die Eigenproduktion billiger sei als die Vergabe an Fremdwerkstätten. Das geforderte En-Suite-Spielen, sprich die an Folgetagen stattfindenden Vorstellungen, um den Bühnenauf- und abbau effizienter zu gestalten, lehnte das Theater aus spielpraktischen Gründen ab.

Chefdramaturg Joachim Klement war der erste, der explizit darauf verwies, dass einzelne Aspekte des „sehr disparaten“ Gutachtens, zum Beispiel eine höhere Zahl von Vorstellungen pro Inszenierung, durchaus produktiv sein können. Zugleich traf er einen Kern der Debatte, als er betonte, dass eine Entscheidung wie die über die vorgeschlagene Schließung von Brauhauskeller und Concordia bei einer Einsparmöglichkeit von rund 210.000 Euro vor allem eine „kulturpolitische“ Entscheidung sei. Denn an diesen beiden Spielstätten biete man mit experimentellen Stücken Theater vor allem für ein jüngeres Publikum. Zu dieser Einschätzung kommt allerdings auch das Gutachten: „Es handelt sich um eine kulturpolitische Frage“, so heißt es knapp, „die in Diskussion auch (sic!) mit der Leitung des Bremer Theaters zu entscheiden ist.“ Die weiteren Empfehlungen finden sich in den aktuellen Verhandlungen um den Notlagentarif wieder: Das Konsolidierungskonzept des Kulturressorts sieht eben jenen Wegfall aller Sonderzahlungen vor, die auch PWC empfiehlt. Wobei das Kulturressort nach wie vor von einem Notlagentarif spricht – allerdings mit einer Laufzeit bis 2012 – während das Gutachten hier deutlicher ist: Dort nennt man das Kind „einen den Nottarifvertrag ersetzenden Haustarifvertrag“.

Weder bei den Grünen noch bei der SPD stießen die Vorschläge von PWC auf große Gegenliebe. Es dürfe „keine Lösung auf dem Rücken der Beschäftigten“ geben, betonte Carmen Emigholz, die kulturpolitische Sprecherin der SPD. Auch die Grünen äußerten sich kritisch. „Die Vorschläge sind keinesfalls neu und einige nicht praktikabel“, so die kulturpolitische Sprecherin Karin Krusche. Und die anvisierte Abschaffung des Aufsichtsrats führt in ihren Augen lediglich zu einem „Behördentheater am Gängelband des Theaters“. Nun liegt es am Kultursenator der Empfehlung des von ihm in Auftrag gegebenen Gutachtens zu folgen. Nämlich: „Eine kulturpolitische Entscheidung herbeizuführen, entweder den bisherigen Auftrag des Bremer Theaters… aufrechtzuerhalten oder einzelne Angebote… einzuschränken oder ganz einzustellen.“

Friederike Gräff