Druckabfall im Heißluft-Ballon

Die Netz-Community machte Clap Your Hands Say Yeah zum Hype. Der ist schon wieder vorbei, bewies das Konzert

Die Stimmung am Donnerstagabend im Postbahnhof war gut, aber nicht hysterisch. Mittelaltes Indie-Publikum und viele junge Leute trafen sich da, die wahnsinnig „trendy people“ und wirklich wichtigen Popkultur-Vertreter fehlten. Auch die MP3-Blogger, die die Band immerhin hysterisch vorentdeckt haben, fanden sie schon im vergangenen Dezember „zu groß“. Wahre Musiktrendforscher erforschen in den unendlichen Weiten des Internet lieber das nächste große Ding – und gehen nicht auf die Konzerte des letzten großen Dings, auch wenn die Ausrufung zum großen Ding erst Monate zurückliegt.

Haben CYHSY das Rennen jetzt schon verloren? In den Rolling-Stone-Trendlisten 2005 lagen sie noch ganz vorne, aber bei den Spekulationen um „Das Album des Jahres 2006“ sind die Arctic Monkeys auf Platz 1, deren Berlin-Konzert Anfang März ist schon seit Wochen ausverkauft. CYHSY kommen aus Brooklyn und werden gern mit Talking Heads, Arcade Fire, Modest Mouse und Velvet Underground verglichen, Sänger Alec Dunsworths Gesang wird allgemein als Zumutung aufgefasst. Das Besondere an CYHSY ist nicht die Musik oder die Besetzung – Synthesizer, Gitarre, Bass, Schlagzeug und Mundharmonika –, sondern ihre mystische Aufstiegsgeschichte. Denn sie gehören zur neuen Generation von Bands, die es ohne Label-Unterstützung nach oben schafft.

Eine begeisterte Review in einem Internet-Musikmagazin im vergangenen Spätherbst brachte den Durchbruch – und als kolportiert wurde, sowohl David Bowie als auch David Byrne wären beim Konzert gesichtet worden, brach Hysterie aus. Über die Webseite verkaufte die Band über 20.000 CD-Einheiten, die Dunsworth selbst eingetütet und zur Post gebracht hat. Der alte Indietraum schien also, ganz ohne Pressekampagne und dank Corporate Blogging, wahr geworden. Man hört schon längst die Major-Manager winseln: „Ja, für den Anfang ist das Internet ein gutes Tool, aber will man wirklich international groß werden, braucht man die Strukturen einer Plattenfirma.“ Im Herbst gibt es sicher auf der Popkomm ein Panel zum Thema „Marketing übers Internet? Wie binde ich die Internet-Community an eine Band“, Gastdozent Tim Renner.

Bevor CYHSY dann im Postbahnhof auf die Bühne kommen, werden große Bündel silbrig weißer Luftballons hinterm Schlagzeug und an den Seiten befestigt. Dann erscheinen die Musiker – im Schein der Bühnenlichter sehen sie wesentlich unspektakulärer aus als auf den Fotos. Da ist so gar nichts cool Newyorkisches, nicht eine einzig gute Frisur dabei. Der Sänger gibt den Miserable Guy und sein Gesang ist live wirklich noch nerviger als auf CD: ein Nuscheln und Näseln, ein Zetern und Zagen. Er jault sich immer die Spur neben dem Ton durch viele Ay-ay-ays und Ey-ey-eys. Leider ist dazu der Sound recht breiig, der mehrstimmige Männergesang geht unter, und die musikalische Vielschichtigkeit der Platte kann live nicht so recht reproduziert werden – vor allem die Streicher, die aus dem Synthie kommen, fügen sie sich nicht ein und stehen isoliert im Raum.

So macht sich bald Langeweile breit und man befasst sich schon beim dritten Stück mit sekundären Fragen: „Wie machen die das mit den Luftballons, haben die eine Flasche Helium im Tourbus dabei und blasen jeden Abend frische Ballons auf?“ Dabei hat die Musik auch hübsche Momente, wenn sich zum Beispiel die sentimentale Grundstimmung der Stücke in den hymnisch-hysterischen Refrains auflöst. Wenn die Bassläufe den Song vor sich hertreiben, die Gitarren darüber galoppieren und sich so ein euphorisch hüpfender Rhythmus ergibt, der mit etwas Fantasie auch an goldene Indiezeiten mit Pavement und Sebadoh erinnert.

Nach 50 Minuten ist der Spuk dann vorbei, zur Zugabe überrascht die Band mit Katzen- und Zirkusmusik, ein dämonisch-destruktives Schlagzeugsolo folgt, und zur zweiten Zugabe kommt noch die Vorband dazu. Man musiziert im Ensemble „Helpless“, den alten Heuler von Neil Young, und natürlich kriegt Sänger Dunsworth das gebrochen hohe Winseln prima hin. Trotzdem hat man nach diesem Konzertabend erkannt: Auch die Leute im Netz können sich mal irren.CHRISTIANE RÖSINGER