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: Tobias Angerer

„Ich bin auf der Schlussgerade nur noch gewankt. Das war ein Kampf in Trance gegen mich selbst“, hat Tobias Angerer gesagt, als er wieder bei Sinnen war. Olympiadritter ist der Mann vom Ski-Club Vachendorf geworden, gestern im klassischen Langlauf über 15 Kilometer. Als Letzter war er ins Rennen gegangen, mit Startnummer 99. Er musste sich wie seine Konkurrenten durchs Schneetreiben schlagen. Nur der Este Andrus Veerpalu, bereits Olympiasieger in Salt Lake City, und der Tscheche Lukas Bauer waren schneller im Gestöber unterwegs als Angerer. Der sagte nach seiner Loipentour: „Mir sind viele Steine vom Herzen gefallen. Jetzt ist die Medaille da. Wir können nun nach vorne schauen und angreifen.“ Sonntag um 10 Uhr steigt das Staffelrennen. Im Mormonenstaate wurden Behles Burschen Dritte. So eine Medaille soll wieder her, fordert der Bundestrainer.

Im Vorfeld der Wettkämpfe von Pragelato war Tobias Angerer, 28, gar für edleres Metall vorgesehen. Das amerikanische Fachblatt Sports Illustrated sah den Bayern auf seiner olympischen Favoritenliste gleich in drei Einzelwettbewerben auf Goldkurs. Da waren die amerikanischen Kollegen wohl etwas zu optimistisch. Bisher kamen aus dem deutschen Langlauflager eher Meldungen von hohen Blutwerten und misslichen Platzierungen. Behle geriet in Erklärungsnot. Am Freitag durfte er dann immerhin verkünden: „Der Tobi hat sich diese Medaille verdient.“ Angerers Mitstreiter waren auch ganz gut in Form. Andreas Schlütter wurde Siebter, René Sommerfeldt Zwölfter.

Obwohl Angerer in dieser Saison bereits fünf Weltcup-Rennen gewonnen hatte, war er am vergangenen Sonntag im olympischen Verfolgungsrennen nicht über Rang zwölf hinausgekommen. Enttäuscht hatte er gesagt: „So ist Sport eben, immer auf und ab.“ Um konstanter zu werden, ist der Chiemgauer vor einiger Zeit umgezogen – in den Osten nach Oberhof. Vom Training in Thüringens Wintersportzentrale hat er sich Vorteile erhofft. „Wenn Tobias Angerer, die Nummer eins der Weltcup-Rangliste, durch die nebligen Schluchten des Thüringer Waldes sprintet, jagt ihn die wohl stärkste Langlaufgruppe des Planeten“, so hat der Stern ein dramatisches Szenario am Oberhofer Grenzadler beschrieben. Die Jäger des zugereisten Wessis sind: Axel Teichmann, Weltcupsieger 2005. Franz Göring, Juniorenweltmeister 2004. Jens Filbrich und Andreas Schlütter, WM-Zweite in der Staffel 2003 und 2005.

Angerer hat die Hatz gut verkraftet. Jedenfalls ist die Aussage verbürgt, dass er im grünen Herzen Deutschlands leistungsmäßig regelrecht aufgelebt sei. Außerdem sei er viel selbstbewusster geworden. „Wer bei uns nicht an sich glaubt, der geht unter.“ So ist aus dem bayrischen Buam ein glaubensstarker Ossi geworden.

MARKUS VÖLKER