Lasst euch pieksen!

Masern breiten sich aus

VON ANTJE LANG-LENDORFF

Es waren einmal Eltern, die nur das Beste wollten für ihr Kind. Sie dachten, es wird nur groß und stark, wenn es sich auch durch die Schwierigkeiten durchkämpft, die so ein Kinderleben seit jeher mit sich bringt. Sie ließen es Masern bekommen und veranstalteten gleich auch noch eine Masern-Party, damit sich andere Kinder anstecken konnten. Auf dass die Kleinen die Krankheit durchlitten und stärker daraus hervorgingen. Leider irrten diese Eltern in einem grundlegenden Punkt: Sie merkten nicht, dass die Geschichte von der harmlosen Kinderkrankheit Masern ein Märchen ist.

Denn das Virus, wie es sich derzeit wieder in Berlin ausbreitet, kann richtig gefährlich werden. Masern können zu Lungenentzündungen führen, in seltenen Fällen zu Hirnhautentzündungen – die auch mal tödlich enden. Deshalb ist es sehr sinnvoll, die Berlinerinnen und Berliner und ihren Nachwuchs zur Impfung aufzurufen, wie es die Gesundheitsverwaltung tut.

Problem der Gebildeten

Mindestens genauso wichtig aber ist die Aufklärung. Denn der Glaube, Masern seien nicht weiter schlimm, hält sich erstaunlich hartnäckig. Das ist kein soziales Problem. Im Gegenteil: Es sind oft die gebildeteren Familien, die eine Masernimpfung ablehnen. In Stadtteilen mit vielen bildungsnahen Haushalten ist die Masernimpfquote niedriger als in ärmeren Bezirken. Gerade im Umfeld von Waldorfschulen hatte sich das Virus in den vergangenen Jahren immer wieder ausgebreitet.

Warum es nach wie vor vehemente Impfgegner gibt, lässt sich nur mit einer generellen Abneigung gegen die Schulmedizin erklären. Die bietet sicherlich oft genug Anlass für Misstrauen, doch bei Masern ist das nicht angebracht. Es wäre gesünder für alle, die Skeptiker würden über ihren Schatten springen – und sich endlich auch pieksen lassen.