DER VATER MUSS BEIM ERWACHSENWERDEN HELFEN. ES GEHT UMS GELD
: Schluss mit Schluri

MARTIN REICHERT

Wenn die Bank persönlich anruft, ist das kein gutes Zeichen – zumindest seitdem ich auf sogenannten eigenen Füßen stehe. Neulich also rief die Bank an: „Ihr Vater müsste bitte eine Kopie seines Personalausweises bei uns vorbeibringen.“ Oh, Gott – warum? Die Bank antwortete mit einer Gegenfrage: „Wussten Sie denn nicht, dass Ihr Vater eine Kontovollmacht hat? Die muss nun aufgrund des Geldwäschegesetzes erneut durch ein Personaldokument beglaubigt werden.“

Nein, wusste ich nicht. Ich wusste nicht, dass mein Vater noch immer eine Kontovollmacht hat, obwohl ich gerade vierzig geworden bin. Was ich natürlich weiß, ist, dass ich mein Konto noch immer in der alten Filiale in meiner Heimatstadt in der Eifel habe; also dort, wo mein Vater seine sichere Beamtenpension lagert – in der Hoffnung, wenigstens ein bisschen kreditwürdig zu erscheinen. Was allerdings naiv ist, Stichwort Basel II; Kreditvergaben werden in der Zentrale der Bank verhandelt. Der nette Filialleiter, den ich schon kannte, als ich ein kleines Kind war und er Azubi, hat damit nichts zu tun.

Aber was will man schon von jemandem erwarten, dessen Erspartes aus einem roten taz-Shop-Jutebeutel gefüllt mit übrig gebliebenen Münzen aus Hosen- und Jackentaschen besteht?

Genau mit dieser Schluri-Einstellung müsste jetzt wirklich mal Schluss sein, denke ich mir. Immer nur zwanzig Euro abheben, weil das Geld ja dann länger reicht. Kein Monatsticket kaufen, weil das ja echt super teuer ist und 2,40 Euro für eine einzelne Fahrt im Vergleich doch wirklich ein Schnäppchen!

Hatte nicht neulich noch ein Freund, ebenfalls gerade vierzig geworden, gesagt, dass er sich jetzt zum ersten Mal erwachsen gefühlt habe, weil er von seinen Eltern kein Geschenk zum Geburtstag bekommen habe? Nun erinnerte ich mich doch an die Kontovollmacht meines Vaters: Früher, während des Studium, war manchmal unerwartet wieder ein Plus vor dem Kontostand. Dann nämlich, wenn mein Vater einmal nach dem Rechten geschaut hatte.

Diese Zeiten müssen vorbei sein, Minus hin, Minus her, „ich möchte die Vollmacht bitte zurückziehen“, sagte ich der Dame von der Bank. Und wieder kommt die Gegenfrage: „Sind Sie wirklich sicher, dass Sie das tun möchten? Haben Sie sonstige Angehörige? Irgendjemand, der sich um ihre Verpflichtungen kümmert, wenn Ihnen etwas zustößt? Irgendjemand muss ja verantwortlich sein.“

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Nachdem ich meinen Vater telefonisch darum gebeten hatte, mit seinem Ausweis in der Bank vorbeizuschauen, war mir klar, dass er sich schon am nächsten Tag schnurstracks auf den Weg machen würde. Das Auto aus der Garage fahren, Parkplatz suchen, bergab in das Stadtzentrum laufen; seine Knie machen Probleme, er geht auf die achtzig zu. „Ist was passiert?“, hatte er gefragt.

Nein, es ist gar nichts passiert. Es geht nur um das Geldwäschegesetz. Und um die Frage: Wäre es nicht eher an der Zeit, dass ich eine Vollmacht für das Konto meines Vaters bekomme – falls ihm was passiert? Einer muss ja dann die Verantwortung übernehmen.