Kino unter realen Bedingungen

SOMMER Open-Air-Kino ist für die Veranstalter im Norden schwierig: Neben dem Wetter ist der späte Sonnenuntergang ein Problem. Trotzdem gibt es viele verschiedene Konzepte

VON WILFRIED HIPPEN

Auf der Leinwand prangt der Mond und direkt darüber sieht man ihn real am Nachthimmel. Im Film wird geschossen und es antwortet eine Fehlzündung von der Straße. Im Stadion am Millerntor wird ein Kurzfilm über den Hamburger Dom gezeigt, der gleich nebenan stattfindet.

Solche Dopplungen gehören zu den poetischen Momenten des Kinos, die lange in der Erinnerung bleiben. Nicht nur deshalb ist jede Filmvorführung unter freiem Himmel ein Unikat. Beim gleichen Film sind immer das Wetter, der Himmel, die Geräusche und Atmosphäre anders – Open Air bietet das Kino mehr, als ein genormtes Vergnügen. Aber es kann halt auch schnell baden gehen, und deshalb gibt es nicht viele kommerzielle Veranstalter, die dieses Risiko in Norddeutschland eingehen.

In vielen Städten gibt es stattdessen von Kommunalkinos und öffentlichen Kulturveranstaltern organisierte Kinovorführungen unter freiem Himmel, die meist kostenlos sind. So werden etwa Anfang August beim „Kino im Hafen“ in Bremerhaven 20 Container aufeinandergestapelt, an denen eine 180 Quadratmeter große Leinwand befestigt wird. Auf dieser wird dann der Disney-Klassiker „20.000 Meilen unter dem Meer“ mit James Mason und Kirk Douglas gezeigt.

Die größte und älteste Veranstaltung dieser Art ist das „Freilichtkino auf dem Rathausmarkt“ in Hamburg, das vom dortigen Kommunalkino Metropolis organisiert wird. Seit 1986 kommen dazu bis zu 5.000 Besucher pro Abend auf den Platz vor dem historischen Rathaus. Auf Decken machen Familien Picknick in der Bannmeile und die gezeigten Filme sind bei diesem inzwischen rituellen gesellschaftlichen Anlass nicht unbedingt das Wichtigste.

Gezeigt werden zwischen dem 8. und 18. August erfolgreiche Filme aus den Programmkinos. So etwa „Oh Boy“, „Hitchcock“ sowie „Best Exotic Manigold Hotel“ und als Spezialität für die Cineasten Chaplins „Goldrush“. Finanziert wird das kostenlose 10-tägige Programm zum Großteil von der Kulturbehörde – entsprechend unabhängig ist die Veranstaltung von Wetter und Besucherzahlen.

Das ist bei den kommerziellen Betreibern deutlich anders, und deshalb traut sich etwa in Bremen schon seit vielen Jahren kein Veranstalter an solch ein Projekt heran. Dies liegt auch daran, dass die Bedingungen für das Open-Air-Kino im Süden des Landes günstiger sind. Nicht, dass es dort unbedingt weniger regnen würde, aber die Nächte sind kürzer und dies macht beim Open-Air-Kino viel aus: Je später der Film beginnt, desto unattraktiver das Angebot. So beginnt etwa in Hannover das „Sehfest“ erst an den kürzeren Sommertagen zwischen dem 16. Juli und dem 9. August. Es findet auf der Parkbühne neben der HDI-Arena statt.

Nur in Hamburg gibt es mehrere, vom Konzept her unterschiedliche Open-Air-Kinos. Bereits seit einigen Wochen veranstaltet das 3001-Kino im Millerntorstadion die „Filmnächte“. Die eher ungünstige Terminierung ist dadurch bedingt, dass das Fußballstadion später im Sommer wieder für seine eigentliche Aufgabe gebraucht wird. Also beginnen die Vorführungen erst um 22.30, aber die Spielstätte hat auch ihre Vorteile: So sitzen die Zuschauer auf der komplett überdachten Südtribüne.

Die „Filmnächte“ werben mit „Hamburgs schönstem Sonnenuntergang“ und in den letzten neun Jahren musste noch keine Vorstellung ausfallen. Demnächst laufen die Fußballfilme „Vom Kiez zum Kap“ und „Trainer“, für die es kaum eine passendere Spielstätte geben dürfte.

Kinobetreiber setzen beim Open-Air-Kino häufig sowohl auf das schlechte wie auf das gute Wetter: Wenn es regnet, gehen die Zuschauer in die Kinos, bei Sonne nach draußen. So kalkuliert auch Jan Oliver Lange von den Hamburger Zeise-Kinos, die von dieser Woche an im Innenhof des Rathauses von Altona ein Programm mit den beliebtesten Arthouse-Filmen der Saison zeigen. Hier kann auch an etwas feuchten Abenden noch gespielt werden, denn es gibt zwei große Sonnenschirme, unter denen zumindest ein paar ZuschauerInnen Platz finden.

Von der Firma Ourdoor Cine, die Veranstaltungstechnik verleiht und montiert, werden bundesweit auch Kinoveranstaltungen unter freiem Himmel organisiert, darunter das Schanzenkino im Sternschanzenpark. Hier wird „Picknick-Kino unterm Sternenhimmel“ versprochen und die Zuschauer werden nicht böse angesehen, wenn sie Essen und Getränke selber mitbringen.

Im Programm, das vom 6. Juli bis zum 31. August läuft, werden längere Filme wie Tarantinos „Django Unchained“ erst in den späteren Wochen gezeigt, weil sie davor nicht in das Zeitfenster zwischen Dunkelheit und dem amtlichen Kinoschluss um 24 Uhr passen. Es gibt einen Deckenverleih, bis 18 Uhr wird die Wetteransage auf der Homepage aktualisiert und wenn es regnet, können sich jene, die trotzdem gekommen sind, den Film im trockenen Clubheim ansehen.