Diva im Klangpanzer

KONZERTVORSCHAU Auf ihrem zweiten Album „Dva“ gibt sich Emika jenseits der kühl inszenierten elektronischen Klänge als höchst zerbrechlich zu erkennen. Zu hören ist die Sounddesignerin beim „Foreign Affairs“-Festival

■ Das Album „Dva“ von Emika ist bei Ninja Tune erschienen. Am Freitag um 23 Uhr tritt sie im Haus der Berliner Festspiele auf (Eintritt 10 Euro), im Rahmen von „Foreign Affairs“, zu dessen ambitioniertem Musikprogramm heute auch mehr im taz.plan zu lesen ist.

VON TIM CASPAR BOEHME

Sie heißt zwar mit bürgerlichem Namen Ema Jolly, aber besonders „jolly“, also fröhlich, klingen die Songs von Emika eigentlich nicht. Auf ihrem zweiten Album „Dva“ bietet sie sogar eine besonders melancholische Spielart von elektronischem Pop dar, der von Club- und insbesondere britischer Bassmusik beeinflusst ist. Die in Berlin lebende tschechischstämmige Produzentin wuchs schließlich auch in England auf, wo sie während ihres Musiktechnik-Studiums mit Clubsounds wie Dubstep in Berührung kam und in ihre eigenen Produktionen integrierte.

Doch in der Musik auf „Dva“, Tschechisch für die Zahl Zwei, geht es Emika, die vor sieben Jahren nach Berlin übersiedelte, wo sie zunächst als Sounddesignerin für die Musiksoftwarefirma Native Instruments arbeitete, um deutlich mehr als um das Gestalten von kühl oszillierenden, dunkel eingefärbten Klangschichten.

Im Mittelpunkt ihrer Songs steht der Gesang, und wenn man ihren Texten Glauben schenken darf, trägt sie so einiges an Wunden durchs Leben.

Natürlich kann man „Dva“ auch als Synthiepop-Album hören und sich an den schlicht gehaltenen Melodien erfreuen oder den fein nuancierten Details der mal eisig klirrenden, mal in heftiger Eurotrash-Fanfaren-Manier hervorbrechenden Obertongebilde lauschen. Man braucht die Texte ja nicht zu lesen. Und ein Song wie die Single „Sing to Me“ ist mit seinem dezent R-&-B-artigen Rhythmus durchaus Mainstream-tauglich.

Kommentierte Lieder

Das unbedarfte Pop-Konsumieren ist allerdings keinesfalls im Sinne der Erfinderin: Fast zu jedem Song hat Emika im Booklet Kommentare verfasst, eine Art Gebrauchsanweisung, in der sie jeweils die Geschichte oder Motive hinter den Texten darlegt. Da ist etwa das orchestrale Vorspiel „Hush Interlude“, gesungen von der Sopranistin Michaela Srumova – auf Tschechisch, der Sprache von Emikas Mutter, die aus politischen Gründen die Tschechoslowakei Richtung England verließ.

Oder „Filters“, dessen beschwörende Refrain-Zeile „I must be healing“ an eine beinahe tödlich verlaufene Blinddarm-Operation erinnert, in deren Heilungsprozess Emika wochenlang mit Morphium im Krankenhaus ruhiggestellt werden musste.

Erst jetzt fange sie an, sich von diesen Verletzungen zu erholen. Und im finalen Track „Criminal Gift“ bekennt sie, dass sie gern von ihrer Musik leben möchte, diese aber gegen ihren Willen gratis an „Kriminelle“ weitergebe. Das ist alles ziemlich direkt und vielleicht gerade durch Emikas ungekünstelten Gesang besonders entwaffnend, manchmal sogar eine Spur zu sehr. Man kann zu diesen Texten schwerlich Distanz wahren, so wie bei dem unfreiwilligen Mithören eines Gesprächs, das nicht für die eigenen Ohren gedacht war.

Die einzige Rettung ist die Produktion: Deren schillernde Oberflächen sind hier weniger Ausdruck von fehlender Tiefe als vielmehr ein Filter, um die Sache nicht allzu intim werden zu lassen. Man meint fast, die divenhafte Maske, mit der Emika auf dem Cover ihres Albums in Erscheinung tritt, sei die optische Entsprechung dieses Klangpanzers, der nur an einigen Stellen aufbricht. Die Balance zwischen persönlichem Bekenntnis und mitunter anonymer Elektronik ist es auch, die „Dva“ so interessant macht. Es ist Pop, dem man bestimmt nicht vorwerfen kann, keine Botschaft zu haben. Zu hören ist die Botschaft auch live, am Freitag bei „Foreign Affairs“ im Haus der Berliner Festspiele.