Berichte über Militärputsch

ÄGYPTEN Die Militärführung beriet zuvor über Ausweg aus der Krise. Präsident Mursi lehnte einen Rücktritt erneut ab

Mursi betont demokratische Legitimität und verfassungs- mäßige Ordnung

KAIRO ap/rtr | Kurz nach dem Ablauf eines Ultimatums der ägyptischen Streitkräfte an Präsident Mohammed Mursi ist ein Staatsstreich angelaufen. Das teilte der Sicherheitsberater von Mursi am Mittwoch mit. Es sei zu befürchten, dass Armee und Polizei nun gewaltsam gegen Anhänger des Präsidenten vorgingen.

Wenige Stunden zuvor hatten Vertreter von Militär, Opposition und Religionen über einen politischen Fahrplan für das Land beraten. Das Treffen fand am Mittwoch zwischen Armeechef Abdel Fattah al-Sissi, Oppositionsführer Mohamed El-Baradei, Imam Scheich Ahmed al-Tajeb von der Al-Azhar-Moschee und dem koptischen Papst Tawadros II. statt, wie Oppositionssprecher Chaled Dwud im Staatsfernsehen sagte. Ebenfalls anwesend waren nach Angaben aus Regierungskreisen Abgesandte der oppositionellen Jugendbewegung „Tamarud“ und der salafistischen Nur-Partei. Dagegen habe die Muslimbruderschaft, die Präsident Mohamed Mursi nahesteht, die Einladung der Armee abgelehnt.

Das Treffen zwischen Armeechef und Vertretern von Opposition und Kirchen kam im Vorfeld des Ablaufs des Militärultimatums an Mursi am Mittwoch zustande. Die ägyptische Nachrichtenagentur Mena meldete, die Generäle wollten nach Ablauf des Ultimatums die Verfassung aussetzen, das von den Islamisten dominierte Oberhaus auflösen und einen Übergangsrat einsetzen, der von dem höchsten Richter des Landes geleitet werden solle.

Mursi lehnte Forderungen nach seinem Rücktritt bei einer Fernsehansprache am Dienstagabend erneut ab. In seiner 46-minütigen Rede warnte Mursi indirekt das Militär: Ein Versuch, ihn aus dem Amt zu entfernen, werde „auf die Täter zurückfallen“.

Mursi machte deutlich, dass er es aufs Äußerste ankommen lassen wolle. Er sei der erste demokratisch und frei gewählte Präsident des Landes und er werde diese verfassungsmäßige Legitimität notfalls mit seinem Leben schützen. „Es gibt keinen Ersatz für Rechtmäßigkeit“, sagte er. Demokratische Legitimität und die verfassungsmäßige Ordnung seien die einzige Garantie gegen Gewalt. Anhängern seines Vorgängers Husni Mubarak warf er vor, die Situation ausnutzen zu wollen, um ihn zu stürzen und die Demokratie zu untergraben.

Millionen oppositionelle Demonstranten in Kairo – sowie in vielen anderen Städten – verfolgten Mursis Ansprache. Auf dem Kairoer Tahrirplatz schlugen einige enttäuscht auf Metallzäune und riefen „Geh, geh!“; andere hoben ihre Schuhe als Zeichen der Verachtung in die Luft. Ein Demonstrant, Islam Musbah, sagte, Mursi habe nichts verstanden: „Er wird uns zu Blutvergießen und Bürgerkrieg führen.“ Ein anderer, Haitham Faruk, sagte: „Er wird nur nach einer Katastrophe gehen. Viel Blut.“

Mursi erhob bei seiner Ansprache mehrmals ärgerlich die Stimme, zeigte die Faust und schlug auf das Podium. Bereitschaft zur Konfrontation bis in den Tod hatte zuvor bereits ein Führungsmitglied der Muslimbruderschaft ausgedrückt. „Nach Märtyrertum zu streben, um den laufenden Putsch zu verhindern, ist das, was wir als Zeichen der Dankbarkeit vorherigen Märtyrern anbieten können, die in der Revolution ihr Leben gelassen haben“, schrieb Mohammed al-Beltagi am Dienstag auf seiner Facebook-Seite.

Auch Zehntausende Mursi-Anhänger versammelten sich in Kairo und anderen Städten. Bei Zusammenstößen zwischen Anhängern und Gegnern des Präsidenten wurden in Kairo in der Nacht zum Mittwoch mindestens 23 Menschen getötet und mehr als 200 verletzt, wie Sicherheitskreise und Krankenhausmitarbeiter berichteten. Gewalt wurde auch aus Alexandria und anderen Städten gemeldet. Ein Marsch von Mursi-Anhängern bei der Kairoer Universität wurde von Schützen auf umliegenden Dächern mit Schusswaffen beschossen. Seit Sonntag kamen bei den Demonstrationen mindestens 39 Menschen ums Leben.