portrait
: Dienstleister aus Leidenschaft

Wöhrl? Ist das nicht der Mann von? Ja, ist er. Hans-Rudolf Wöhrl ist seit fast 22 Jahren mit Dagmar Wöhrl verheiratet, die früher einmal Miss Germany war und inzwischen fest in der bundesdeutschen Politik verankert ist. Aber das Primat der Politik gilt bei den Wöhrls nicht. Hier hat jeder seine eigene Spielwiese. Oder auch mehrere. Hans-Rudolf ist Unternehmer. Textilunternehmer und Flugunternehmer. Ihm gehören wesentliche Teile der Familien-AG Rudolf Wöhrl und ebenso wesentliche Teile der Deutschen British Airways (dba). Beide hat er erfolgreich geleitet, bei beiden sitzt er inzwischen im Aufsichtsrat. Das ist ihm zu wenig.

Vor fünf Jahren schrieb eine deutsche Zeitung: „Es könnte durchaus sein, dass Hans-Rudolf Wöhrl mit 58 Jahren noch einmal von vorn anfängt.“ Die Autorin tippte auf Nobelhotel oder Luxusrestaurant. Das war daneben, und zwar weit. Mit 58 Jahren steigt Wöhrl ins Ferienfliegergeschäft ein. Er übernimmt die Mehrheit an der Düsseldorfer LTU und will sie zum ersten Billigflieger mit weltweitem Netz ausbauen. Dass das Unternehmen defizitär ist, dürfte ihn nicht schrecken. Die dba bekam er 2003 für nur einen Euro, weil sie so unrentabel war. Der drittgrößte deutsche Inlandsanbieter war nach dem Markteintritt einfach nicht in die schwarzen Zahlen gekommen – und dabei, sich in einen ruinösen Preiskrieg mit den Billigfliegern zu stürzen. Wöhrl gelang es, das Flugunternehmen in zwei Jahren komplett zu sanieren.

Mit neuen Aufgaben hat sich der Nürnberger nie schwer getan. Mit 18 Jahren machte er seinen Pilotenschein, mit 19 entschloss er sich, mit seinem Bruder eine eigene Boutique zu eröffnen. Vier Jahre später übernahmen beide das väterliche Unternehmen und die „Marke mit dem Knopf“. Wöhrl sagt über sich: „Ich bin Unternehmer und Dienstleister aus Überzeugung. Dingen, die ich gern tue, lasse ich umgehend geschäftliche Aktivitäten folgen.“ Und die sind dann nicht ausschließlich profitorientiert. Denn das Modehaus steht auch für arbeitnehmerfreundliche Personalführung. Schon früh gab es die Vier-Tage-Woche und großzügige Angebote bei erweiterten Öffnungszeiten.

Schon da bastelte Wöhrl an seiner Luftfahrtkarriere. Mit 27 Jahren gründete er die regionale Fluggesellschaft Nürnberger Flugdienst (NFD), verbrachte selbst mehr als 5.000 Flugstunden am Steuerknüppel und entwickelte sie zum zweitgrößten bundesdeutschen Liniendienst.

Nur einmal musste er sich zwischen seinen beiden geschäftlichen Leidenschaften entscheiden. 1992 verkaufte er den NFD, weil er Geld für die Bekleidungshäuser brauchte. Und flog bis 2003 nur noch privat. Das will er offenbar nie wieder tun. BEATE WILLMS