VORMERKEN
: In der Philharmonie denkt man in aller Stille über ein musikalisches Schweigegebot nach

Eine absolute Lautlosigkeit, die Abwesenheit jeglichen Geräuschs: „Es gibt vielerlei Lärme, aber es gibt nur eine Stille“, schrieb Kurt Tucholsky einmal. Dass sich das allerdings nicht ganz so einfach verhält, merkt man schon, wenn man die Stille in den Ohren eines Großstädters mit der eines, sagen wir, Bewohners einer Bergalm vergleicht. Was als still empfunden wird, kann sich beträchtlich unterscheiden, und dabei geht es niemals um die völlige Geräuschlosigkeit. Weil es die im wirklichen Leben nun mal nicht gibt. Es ist still: Man hört das ferne Rattern der U-Bahn. Oder das Rauschen des Flusses. Das ist Ruhe, Frieden – in der absoluten Stille aber ist man mit sich allein, was nicht nur ein angenehmer Zustand sein muss. Und das jetzt als Musik. Ob die überhaupt aus Stille bestehen kann, diskutiert morgen Vormittag in der Philharmonie Hermann Kretzschmar am Beispiel von John Cage. Der hat nämlich 1952 mit seinem Stück „4’33““ die Stille in der Musik an den Rand des Ertragbaren getrieben: Das Werk ist mit der Anweisung „tacet“ überschrieben. „Schweigen“. Und kein einziger Ton wird hier gespielt. Was das nicht nur für die Neue Musik bedeutet, klärt Kretzschmar in seinem „Hörstudio“. Und am Abend geht es vor Ort weniger still weiter mit der Musik zweier anderer Größen des 20. Jahrhunderts: Die Berliner Philharmoniker spielen unter Christoph von Dohnányi Werke von György Ligeti und Béla Bartók. ST

■ Kann Musik aus Stille bestehen?: Philharmonie, Herbert-von-Karajan-Str., Sa., 11 Uhr. Eintritt frei