Weit draußen auf dem Land

GITARRE Steffen Basho-Junghans ist einer der originellsten Gitarristen Deutschlands. Bisher wurde er jedoch im Ausland stärker wahrgenommen als hier. Am Samstag kann man ihn auf dem Down by the River Festival hören

Die Musik der Vorbilder von Steffen Basho-Junghans war in der DDR Mangelware

VON TIM CASPAR BOEHME

Was hat der wuchtige Thälmann-Kopf im Ernst-Thälmann-Park mit Folk-Musik zu tun? Im Fall von Steffen Basho-Junghans eine ganze Menge. Denn der 1953 in Sachsen geborene und in Thüringen aufgewachsene Gitarrist hat neben den Verdiensten, die er sich um sein Instrument erworben hat, nicht unwesentlich dazu beigetragen, dass die Skulptur Anfang der Achtziger überhaupt gegossen werden konnte.

„Ich habe Bauingenieur in Cottbus studiert und dann im Raum Cottbus drei Jahre als Ingenieur gearbeitet. Damals gab es in Lauchhammer einen Schwermaschinenbau, wo diese Riesenbagger hergestellt wurden. Da gab es auch eine Kunstgießerei, die haben schon früher solche Sachen gemacht wie den Neptun-Brunnen am Alexanderplatz, und dort sollte dieser Thälmann-Kopf gemacht werden. Und da war die alte Kunstgießerei in der Halle zu klein für den Kopf. Ich habe dann die neue Halle projektiert.“

Wenn er das indirekte Ergebnis seiner einstigen Arbeit heute anschauen will, muss er nur ein wenig die Greifswalder Allee hinuntergehen – Steffen Basho-Junghans wohnt ganz in der Nähe an der Grenze zwischen Weißensee und Prenzlauer Berg. Nach Berlin sei er 1982 von Freunden „gelockt“ worden. Der Bauingenieur war damit Vergangenheit, stattdessen entschied er sich für Kunst – Basho-Junghans ist zugleich Maler – und Musik. Schon im Jahr 1981 rief er in Potsdam das erste stiloffene Gitarrenfestival der DDR ins Leben. Zuvor hatte er als Student in Cottbus Ende der Siebziger mit anderen Kommilitonen die Folkband Wacholder gegründet.

Von deren konventionellem Folk-Ansatz hat sich Basho-Junghans in seiner eigenen Musik weit entfernt. Zwar ist er in seiner Spielweise stark vom „American Primitivism“ der US-amerikanischen „Takoma“-Schule um Gitarren-Legenden wie John Fahey, Leo Kottke und ganz besonders Robbie Basho beeinflusst, doch hat er auf seinen Alben eine sehr eigene Art von Folk mit verschiedensten Einflüssen von Ragas bis zu freier Improvisation geschaffen, die gitarrenspezifische Nebengeräusche bewusst als Gestaltungsmittel einsetzt.

Fast notgedrungen musste Basho-Junghans einen unabhängigen Weg verfolgen, denn die Musik seiner Vorbilder war in der DDR Mangelware: „Ich habe 1978 mal von einem Studienkollegen ein Tonband bekommen, mit zwei LPs von Leo Kottke drauf. Ich hab mir das angehört und gedacht: Was macht der da? Diese Takoma-Geschichte war eine andere Art von Musik. Dieses dominantere Arbeiten mit der Basslinie: Das hat mich fasziniert.“

Robbie Bashos Gitarrenspiel faszinierte ihn sogar so sehr, dass er schließlich dessen Namen übernahm. 1986 erhielt er seine erste Platte des visionären Virtuosen – und machte kurz darauf eine folgenreiche Entdeckung: „Ich habe ein halbes Jahr später von einem Musikjournalisten aus Hamburg einen Brief gekriegt, in dem er mir mitteilte, dass Basho ungefähr zu der Zeit, wo ich die Platte kriegte, gestorben war. Das war im Februar 86. Das war für mich schon ein sehr mystisches Ereignis.“

Interessanterweise ist Basho ein Künstlername, den schon Robbie Basho vom japanischen Haiku-Dichter Matsuo Basho übernahm: „Was die wenigsten wissen, ist, dass der ursprünglich auch nicht Basho hieß, sondern Matsuo Munefusa. Er lebte eine Zeit lang in einem Gartenhäuschen eines Freundes, und vor dem stand ein Bananenbäumchen, das heißt auf Japanisch ‚basho‘. Und plötzlich fühlte ich so eine Verbindungslinie zwischen dem ersten Basho, dem zweiten und mir.“

Die Tradition der Takoma-Schule ist in Deutschland weit weniger geläufig als in den USA und Großbritannien. Lediglich jüngere Nachfolger wie der Engländer James Blackshaw erhalten derzeit auch hierzulande mehr Aufmerksamkeit. So überrascht es kaum, dass Basho-Junghans in den USA wesentlich bekannter ist als hier.

Seine Alben, von denen viele auf US-amerikanischen Labels erschienen, wurden in englischsprachigen Magazinen positiv besprochen. Die deutsche Fachpresse hat hingegen geschlafen. Umso erfreulicher ist, dass Basho-Junghans am Samstag beim Festival Down by the River zu hören sein wird – mit einer Musik, die an jemanden denken lässt, der weit draußen auf dem Land seine Klänge findet.

Ein Gedanke übrigens, mit dem sich Basho-Junghans durchaus anfreunden kann: „Ich wohne auch weit draußen auf dem Land. Bloß der Körper sitzt meistens hier in Berlin.“

■ Das Down by the River Festival findet bereits zum fünften Mal statt, nach Stationen in der Bar25 und im Kater Holzig trifft man sich in diesem Jahr im Garten von ://about blank, Markgrafendamm 24c. Samstag, Einlass 14 Uhr, Ticket 15 Euro. Steffen Basho-Junghans spielt um 18.45 Uhr. Mehr zu ihm auf www.bluemomentarts.de