Ein Original und viele Duplikate

Abseits der Piste überlässt Kjetil-Andre Aamodt anderen die Rolle des Entertainers. Der 34-jährige Norweger pflegtvielmehr mit schnellen Talfahrten zu beeindrucken– und ist damit zum erfolgreichsten Alpin-Olympioniken aufgestiegen

AUS SESTRIEREELISABETH SCHLAMMERL

Eigentlich ist Kjetil-Andre Aamodt kein Freund vieler Worte. Er hört lieber zu, gibt nicht so gern den Entertainer. Die Rolle passt viel eher zu Hermann Maier, der den österreichischen Schmäh bestens beherrscht. Am Samstag war aber alles ganz anders. Da hat fast nur der Norweger geredet, Maier dagegen zugehört. Das lag daran, dass der olympische Super-G in Sestriere-Borgata nicht so endete, wie viele dachten. Für den Sieg war eigentlich Maier vorgesehen. Es wäre ja auch eine schöne Geschichte gewesen, vielleicht die Geschichte der Spiele, hätte er acht Jahre nach seinen ersten beiden Olympiasiegen und vier Jahre nach seinem schweren Motorradunfall noch einmal ein olympisches Rennen gewonnen. Aber da war eben Aamodt, der schon so oft unvorhergesehen aufgetaucht ist und den Österreichern eine Medaille weggeschnappt hat.

Als das Rennen nach einem Abbruch wegen schlechter Sicht mit Verspätung neu gestartet wurde, sagte der Pressemann von Maier mit Blick auf den mittlerweile strahlend blauen Himmel: „Das ist Hermanns Wetter.“ Aber es war dann eben auch Aamodts Wetter – und es war wieder sein Tag, wie vor vier Jahren in Salt Lake City. Damals hat er im Super-G vor dem Favoriten Stephan Eberharter aus Österreich Gold gewonnen. Aamodt hatte als bestes Resultat in dieser Weltcup-Saison einen zweiten Platz in der Abfahrt stehen. Aber es ist ja nichts Neues, dass bei diesen olympischen Alpin-Bewerben der Männer diejenigen ganze vorn landen, mit denen keiner so richtig rechnet.

Aamodt hat seit 1991 fast immer Edelmetall gewonnen, nur bei Olympia 1998 in Nagano und bei der WM im vergangenen Jahr in Bormio ist er leer ausgegangen. Mit nunmehr vier Goldmedaillen bei Winterspielen ist er der erfolgreichste alpine Olympionike. „Großereignisse kommen Allroundern zugute. Du hast so viel Zeit zum Trainieren zwischen den Bewerben“, erklärt er seinen Erfolg.

Bei der Abfahrt hatte er Bronze um sechs Hundertstelsekunden verpasst und sich obendrein eine Knieverletzung zugezogen. Er fehlte deshalb bei dem Kombinationswettbewerb. Auch am Samstag am Start spürte er die Blessur noch. „Aber vielleicht bin ich verletzt ja sogar schneller.“

Aamodt plagten immer wieder kleinere Blessuren, von größeren blieb er bis vor knapp drei Jahren aber verschont. Im Herbst 2003 zog er sich beim Gletschertraining einen Knöchelbruch zu und fiel die gesamte Saison aus. Damals überlegte er aufzuhören, weil es sehr zäh im Winter darauf vorwärts ging, er biss sich aber doch noch einmal durch. Und obwohl er im Januar Vater einer Tochter geworden ist, verschwendet er mittlerweile keinen Gedanken mehr ans Karriereende. „Vielleicht kämpfe ich ja 2014 noch immer gegen Hermann Maier um Gold.“

Neunzehn Medaillen bei Winterspielen und WM hatte Aamodt bis Samstag schon gewonnen, aber die von Sestriere ist doch irgendwie wieder die erste. Alle anderen sind nämlich bei einem Einbruch im Haus seines Vaters gestohlen worden. Von einem Großteil der gestohlenen Medaillen besorgte er sich mittlerweile Duplikate. „Und jetzt habe ich wieder eine richtige.“