ALTER MEISTER
: Die unnachgiebige Wucht

Noch ist die Asche nicht kalt, und doch macht das Bild einen frösteln. Es ist gestochen scharf, die Luft ist klar, kein Schatten zeichnet sich ab. Die Szene wirkt wie ein Diorama im Museum für Naturgeschichte von New York. Doch künstlich ist daran nichts, noch vor Kurzem war es an dieser Stelle glühend heiß.

Der US-Bundesstaat Arizona hat in dieser Woche eine verheerende Feuerkatastrophe erlebt. Was zunächst wie ein zu kontrollierender Brand nach einem Blitzschlag ausgesehen hatte, entwickelte sich unter heftigen Windböen zu einer riesigen Feuerwalze an der Grenze zu Kalifornien. Mehr als 30 Quadratkilometer wurden von den Flammen erfasst, die bis zu 120 Meter hochschlugen. Nahe der Stadt Yarnell wurde das Inferno für eine Eliteeinheit der Feuerwehr zur Falle: 19 Menschen starben, nur einer überlebte – wie durch ein Wunder.

Viele Amerikaner mag der Aschebelag an Manhattan nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001 erinnern. Die kalte, unnachgiebige Wucht der Natur aber hat schon der deutsche Maler Caspar David Friedrich dargestellt, in Öl auf Leinwand: dieser melancholische Romantiker, der Landschaften immer als Allegorie auf das Leben malte und zugleich die Distanz des Menschen zu seiner Umwelt thematisierte.

In seinem kontrastreichen Gemälde „Das Eismeer“ von 1824 haben Schnee und gelblich-graue Eisschollen ein Schiffswrack unter sich begraben. Grell erhebt sich darüber ein diffus blauer Himmel.

Es ist ein Bild des totalen Scheiterns, das Leben ist im ewigen Eis zerdrückt. In Arizona wird schon der nächste Regen die Asche fortspülen. Die Erinnerung bleibt.

JÖRN KABISCH